Ralph Ubl, Dr. phil.
Professor für Neuere Kunstgeschichte
Universität Basel
Geboren 1969 in Wien
Studium der Kunstgeschichte und Philosophie an der Universität Wien
Arbeitsvorhaben
Bild und Orientierung in der Moderne
Wenn von der Orientierung eines Bildes die Rede ist, kann Verschiedenes gemeint sein: seine Platzierung im Raum; seine internen räumlichen Eigenschaften, die unabhängig von seiner Lage ein Oben und ein Unten, eine Vorder- und eine Rückseite erkennen lassen; und nicht zuletzt die doppelte Ausrichtung der dargestellten Objekte, die sowohl aufeinander wie auch auf die Blickachse des Betrachters bezogen sind. Bereits diese ersten Unterscheidungen lassen erahnen, dass die Frage, was es heißt, sich in einem Bild zu orientieren, weitreichende bildtheoretische und -historische Fragen aufwirft, denen sich die kunsthistorische Forschung in jüngster Zeit auch verstärkt zugewandt hat. In meinem Projekt werde ich untersuchen, worin die Bedeutung dieser Frage für die Kunst der Moderne bestand. Dass sie als dringlich angesehen wurde, belegt die von der Romantik bis zur Nachkriegskunst immer wieder aktuelle Auseinandersetzung mit dem menschlichen Körper als Grund der Orientierung. Mein besonderes Interesse gilt in diesem Zusammenhang der Lateralität, insofern sich im Richtungsgegensatz von links und rechts Symmetrien und Differenzen überlagern, die den künstlerischen Arbeitsprozess betreffen: die Inkongruenz der beiden Hände, ihr ungleiches Geschick, ihre verschiedenen Funktionen und Werkzeuge, aber auch die Lateralität des Bildfeldes, wie sie in der Verkehrung von Druckplatte und Abzug, Bildwerk und Spiegelbild auffällig wird.Lektüreempfehlung
Ubl, Ralph (mit Wolfram Pichler). Bildtheorie zur Einführung. Hamburg: Junius, 2014.
-. Prähistorische Zukunft: Max Ernst und die Ungleichzeitigkeit des Bildes. München: Fink, 2004. (Englisch: Prehistoric Future: Max Ernst and the Return of Painting Between the Wars. Chicago, 2013.)
-. "Eugène Delacroix's Jewish Wedding and the Medium of Painting." In Judaism and Christian Art: Aesthetic Anxieties from the Catacombs to Colonialism, herausgegeben von Herbert L. Kessler und David Nirenberg, 359-386. Philadelphia, PA: University of Pennsylvania Press, 2011.
Kolloquium, 17.05.2016
Beobachtungen zu links und rechts in der modernen Kunst
In meinem Vortrag werde ich Auszüge aus drei Kapiteln vorstellen, die Teile eines Buchmanuskripts über links und rechts in der europäischen Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts bilden werden. In jedem der Kapitel steht ein Werk im Zentrum. Im Hintergrund dieser exemplarischen Ausführungen stehen folgende Überlegungen zur Bedeutung von links und rechts für die Bildkünste:
Produktion: Die Bedeutung von Kunstwerken ist abhängig von der Art und Weise, wie sie hergestellt werden. Die Herstellung der meisten Kunstwerke erfordert den Gebrauch beider Hände, die, je nachdem welche Werkzeuge benutzt werden, auf unterschiedliche Weise zusammenwirken. Pinsel und Palette, Kreide, Radiernadel, Meißel oder Kamera verlangen unterschiedliche Formen manueller Koordination. Wenn Druckplatten und Spiegel zu den technischen Mittel gehören, ist beim Prozess der Herstellung zudem mit der Spiegelverkehrung von deren Spuren zu rechnen.
Rezeption: Die Bedeutung von Kunstwerken ist ebenso abhängig von dem Platz, den sie den Betrachtern einräumen. Eine Festlegung, die bei der Ausrichtung des Bildes auf sein Publikum getroffen werden muss, ist die Verteilung von links und rechts. Sie kann vom Betrachter oder vom Bild aus erfolgen. Im ersten Fall liegt im Bild links, was vom Betrachter aus links ist, und rechts, was vom Betrachter aus rechts ist; im anderen Fall ist es ein Element des Bildinhalts, in der Regel die Hauptfigur, von der aus links und rechts bestimmt werden. Die eine Festlegung schließt die andere nicht aus. Im zentralperspektivisch konstruierten Bild etwa sind beide aufeinander bezogen: Seine Orientierung erfolgt in Hinblick auf den Betrachter, es kann unter Umständen aber wichtig sein, festzustellen, was links und rechts von einer Figur oder einem bildinternen Blickpunkt aus liegt.
Form: Die bilateral symmetrische Form des menschlichen Körpers ist eine einflussreiche Metapher für die Form des Kunstwerks und vermutlich mehr als eine Metapher. Noch ehe ein Künstler die erste Markierung gesetzt und eine bestimmte Form gezogen hat, ist ein Bildfeld in verschieden gewertete Positionen unterteilt: in Zentrum und Peripherie, oben und unten, links und rechts. Ob die Orientierung am menschlichen Körper eine universale Bedingung von Bildlichkeit darstellt, ist eine offene Frage der Bildtheorie. In historischer Hinsicht ist die kritische Auseinandersetzung mit dieser Bedingung ein besonderes Merkmal der europäischen Kunst seit der Romantik.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Ubl, Ralph (Paderborn, 2019)
Formbildung und Formbegriff : das Formdenken der Moderne Eikones
Ubl, Ralph (Paderborn, 2018)
Michael Frieds "Shape as Form" und die Kritik der Form von 1800 bis zur Gegenwart "Shape as Form" und die Kritik der Form von 1800 bis zur Gegenwart
Ubl, Ralph (Hamburg, 2014)
Bildtheorie zur Einführung Zur Einführung
Ubl, Ralph (Chicago, 2013)
Prehistoric future : Max Ernst and the return of painting between the wars Prähistorische Zukunft. <engl.>
Ubl, Ralph (2012)
Eugène Delacroix' Jüdische Hochzeit und das medium der Malerei
Ubl, Ralph (2012)
Eugène Delacroix' Jewish wedding and the medium of painting
Ubl, Ralph (2010)
Entzweiung der Malerei : Géricault um 1820
Ubl, Ralph (Wien, 2009)
Ubl, Ralph (2008)
Signature works : Ralph Ubl on George Baker's The artwork caught by the tail