Shaheen Dill-Riaz
Autor, Regisseur und Kameramann
Wiesbaden
Geboren 1969 in Dhaka
Studium der Kunstgeschichte an der Freien Universität Berlin und Cinematography an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf
Arbeitsvorhaben
021 - Tehran and the Unwanted Music (ein Kino-Dokumentarfilm)
Ob im luxuriösen Norden Teherans oder in den Slums im Süden der Stadt - wenn die Nacht hereinbricht, wird gefeiert, getanzt und Musik gemacht, vorausgesetzt die Räume sind schallgeschützt. Denn die westliche Musik, egal ob Rock, Hip-Hop oder Rap, wird von den schiitischen Klerikern als Ausschweifung begriffen bzw. für "unislamisch" befunden und somit als eindeutig unerwünscht gebrandmarkt. Allein eine um den Hals getragene Elektrogitarre kann Ärger mit der Polizei provozieren.Wo Verbote sind, da gibt es auch Wege, diese zu umgehen. "Zirzamini" (aus dem Keller), so nennen die jungen Iraner ihre Musik, die im Untergrund stattfindet. Das Wort ist über die Jahre zu einem Synonym für den aktiven Protest der zahlreichen jungen Iraner geworden, die nie aufgehört haben, ihrer Leidenschaft nachzugehen, illegal und im Untergrund. Im Moment erlebt die Kulturlandschaft der Stadt einen Boom an alternativen Ansätzen, die der konservativen Obrigkeit nicht unbedingt schmecken dürften. Allein in der 15-Millionen-Metropole Teheran soll es mehr als 500 verbotene Bands geben. Wie entgehen aber die jungen Musiker den Kontrollinstanzen? Wie gelingt es ihnen, geheime Konzerte zu organisieren, zu denen das junge Teheraner Publikum scharenweise kommt?
Im Jahr 2009 gingen viele dieser jungen Menschen auf die Straße und erschütterten das ganze Land mit der sogenannten "grünen Welle". Die Bilder gingen damals um die ganze Welt. Wie kam es dazu? Was war die Rolle dieser Musiker damals? Wie geht das Leben nach dem Scheitern der Bewegung weiter? Manche der Musiker sitzen wegen ihrer Songs heute im Gefängnis. Dennoch ziehen die jungen Menschen mit ihren versteckten Gitarren weiterhin durch die nächtliche Stadt, um irgendwo in einem Keller zu musizieren. Was treibt sie dazu? Was sind ihre Träume und Wünsche?
Anhand des Lebensalltags und der Biografien einiger Musiker, die in Teheran im Versteckten aktiv sind, möchte ich in einem Kino-Dokumentarfilm diesen Fragen nachgehen. Dabei sollen Einzelschicksale und menschliche Geschichten im Vordergrund stehen, die eine Bestandsaufnahme vom Leben der jungen Iraner entstehen lassen (Produktion: Nenok Film, www.nenok-film.de).
Filme
Dill-Riaz, Shaheen. Eisenfresser (Dokumentarfilm). ARTE/BR/RBB, 2008, 85 Min.
-. Korankinder (Dokumentarfilm). ZDF, 2009, 87 Min.
-. Fernglück (Dokumentarfilm). ZDF/3sat, 2015, 90 Min.
Kolloquium, 04.04.2017
My Unwanted Film / Observing an Observer
Mein Vortrag besteht aus zwei Teilen. Im ersten Teil, der kürzer sein wird als der zweite, möchte ich Sie mit dem derzeitigen Stand meines jüngsten, auf Spielfilmlänge angelegten Dokumentarfilmprojekts "021-Tehran. The Unwanted Music" vertraut machen.
Ich habe einen erheblichen Teil meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg mit der Vorbereitung dieses Projekts verbracht, das von der Fernsehanstalt, die die Finanzierung anfänglich übernommen hatte, leider nicht weiter unterstützt wird. Meine persönlichen Reflexionen zu den Argumenten der Geldgeber, mit denen sie ihre Ablehnung begründen, und zu den Zielen, die mein Produzent und ich in Bezug auf dieses Projekt jetzt verfolgen, machen die erste Hälfte meines Vortrags aus. Wenn ich Ihnen meine Überlegungen vortrage, so nicht deswegen, um meine Enttäuschung über mein augenblickliches Scheitern zum Ausdruck zu bringen; vielmehr möchte ich Sie mit einigen wesentlichen Aspekten vertraut machen, die für meine kreative Arbeit als Filmemacher entscheidend sind. Die lange Vorbereitungszeit, die interessanten Ergebnisse meiner Hintergrundrecherchen und die ungewisse Zukunft dieses Projekts wird Ihnen viel über den Prozess des Filmemachens in der europäischen Filmindustrie vermitteln - und über die "Freiheit" und "Unfreiheit" eines Filmemachers. In diesem Zusammenhang zeige ich Ihnen den "Videoteaser" des Films, den ich in den ersten Monaten meines Aufenthalts am Wissenschaftskolleg geschnitten habe. Dieses Filmmaterial ist noch nirgends außerhalb des engsten Kreises meines Produktionsteams gezeigt worden.
Im zweiten Teil meines Vortrags möchte ich mich auf einen weiteren Aspekt meiner Arbeit konzentrieren, und zwar auf meine Rolle als Regie-Kameramann.
Ursprünglich ließ ich mich auf einer Filmhochschule zum Kameramann ausbilden. Zum Ende meines Studiums begann ich, meine eigenen Filme zu machen. Obwohl ich für alle meine Filme als Regisseur verantwortlich war, habe sich sie doch vor allem als Kameramann geprägt. Ich war mir dieses besonderen Einflusses kaum bewusst, bis ich begann, an meinem derzeitigen Projekt "Past Is Present" zu arbeiten, das durch ein Ereignis in meinem Privatleben vor neun Jahren angestoßen wurde. Das Filmprojekt zwang mich dazu, die Aktivitäten des ganzen Filmteams infrage zu stellen und insbesondere das Verhalten des Kameramanns während der Aufnahme zu beobachten - also mein eigenes Verhalten.
Im Produktionsprozess der mittlerweile acht Filme, die ich gemacht habe, bestand mein Ziel darin, Geschichten durch Beobachtungen zu erzählen. Dafür musste ich mich maximal auf das konzentrieren, was vor der Kamera passiert. Während des Schreibens, der Aufnahme und des Schnitts war meine Aufmerksamkeit auf die Protagonisten gerichtet, den Raum und die Bedingungen, unter denen sie lebten. Doch ich ignorierte die ganze Zeit das interessante Verhalten des eigentlichen "Beobachters", das dem Rohmaterial inhärent und in den Bildern und den dazugehörigen Tonspuren verborgen war. Der Großteil der Spuren seines Verhaltens, das manchmal ziemlich clever und gelegentlich einfach seltsam war, wurde während des Schnitts mit Bedacht eliminiert, um die Geschichte der Protagonisten in den Vordergrund zu rücken. Doch nach all den Jahren fing ich an, nach diesen Resten und Hinweisen in meinen alten Filmen zu suchen, um mein eigenes Verhalten zu verstehen. Der Grund, warum sich so verzweifelt nach diesen Spuren suche, liegt darin, dass ich selbst einer der Hauptprotagonisten meines bevorstehenden Films "Past Is Present" bin.
Dieses Filmprojekt ist allerdings auch stecken geblieben. Das liegt nicht an fehlender Finanzierung, sondern hauptsächlich daran, dass ich in einer Sackgasse stecke und nach einem Ausweg suche. Wie es dazu kam, dass ich dorthin kam, darüber möchte ich mit Ihnen in meinem Vortrag sprechen. Ich zeige Ihnen einige Auszüge aus meinen Rohaufnahmen. Ich hoffe, von Ihnen ein Feedback zu bekommen, das mir dabei hilft, einen Ausweg auf meiner festgefahrenen Situation zu finden - und einen Weg, wie ich mit meinem Film weitermachen kann.