Pascale Cancik, Dr. iur.
Professorin für Öffentliches Recht, Geschichte des europäischen öffentlichen Rechts und Verwaltungswissenschaften
Universität Osnabrück
Geboren 1967 in Tübingen, Deutschland
Studium der Rechtswissenschaft an der Eberhard Karls Universität Tübingen und der Freien Universität Berlin
Arbeitsvorhaben
Geschichte(n) der Bürokratiekritik
Seit 250 Jahren wird - scheinbar unabhängig von den erheblichen Veränderungen in Gesellschaft, Recht, Verfassung, Verwaltung - von und über "Bürokratie" gesprochen. Politik, Verwaltungen, Medien, Verbände und Wissenschaften tun es und manchmal auch die Bürger - populistisch, polemisch, kritisch, deskriptiv-analytisch. Der "Bürokratiemonster" sind viele, das vorerst letzte sitzt in Brüssel: Irgendwann in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wird im Gefolge der Europäisierung auch die "EU-Bürokratie" zum Topos. "Entbürokratisierung" und "Bürokratieabbau" sollten Abhilfe verschaffen und werden neuerdings ihrerseits hinterfragt.Die - scheinbare - Konstanz von "Bürokratie" als Beschreibung und "Bürokratie" als Kritik über lange Zeiträume ist bemerkenswert. Sie zu hinterfragen, mögliche Prägungen der - tatsächlich ja sehr heterogenen - Bürokratiekritiken zu erfassen, ihre Anlässe und darauf folgende Reaktionen genauer zu beschreiben, ist Ziel des Projekts. Ein Zentrum sollen die 1970er/1980er Jahre bilden. In dieser Zeit, so die These, kommt es zu einer entscheidenden Veränderung von Bürokratiekritik. Sie wird professionalisiert, wird zur Machtressource, zur staatspolitischen Notwendigkeit. Die damit einhergehende Institutionalisierung marginalisiert oder verdrängt andere Prägungen von Bürokratiekritik. Ein Vorgang, der andauert, und den man mit alten wie neuen Fragen zu seiner Bedeutung für Demokratie, Rechtsstaat und Parlamentarismus verbinden kann.
Eine Geschichte der Bürokratiekritik(en), welche die jüngere Zeitgeschichte mit einbezieht, kann aus ungewohnter Perspektive Aufschluss bieten über unsere Einbindung in Gesellschaft, Organisation, Staat; über jene weithin mit "Rationalisierung" und "Modernisierung" beschriebenen Entwicklungen, die relevant bleiben, ungeachtet der Beobachtung aller möglichen "Post"-Phänomene.
Lektüreempfehlung
Cancik, Pascale. "Zuviel Staat? Die Institutionalisierung der 'Bürokratie'-Kritik im 20. Jahrhundert." Der Staat 56 (2017): 1-38.
-. "Vom Widerspruch zum informalen Beschwerdemanagement - Siegt der 'Verhandlungsstaat' über den 'hoheitlichen Anordnungsstaat'" Die Verwaltung 4 (2010): 467-499.
-. Verwaltung und Öffentlichkeit in Preußen: Kommunikation durch Publikation und Beteiligungsverfahren im Recht der Reformzeit. Tübingen: Mohr Siebeck, 2007.
Kolloquium, 27.02.2018
Die "Bürokratie" der "Entbürokratisierung"- Geschichte(n) der Bürokratiekritik
n der öffentlich-politischen Arena in Deutschland wird durch die Markierung von etwas als Bürokratie oder bürokratisch in der Regel Kritik ausgedrückt. Bürokratiebehauptungen dienen der Stigmatisierung, beweisen Veränderungsbedarf. Die Rhetorik und Praxis der staatlichen Entbürokratisierung, die in Deutschland seit vierzig Jahren geübt wird, affirmiert den negativen Befund und weckt die Erwartung, dass das Problem durch Politik und Staat gelöst werden könne. Was aber ist jene Bürokratie, was das Bürokratische, das in vermeintlich großer Einigkeit abgebaut wird? Welche Erwartungen weckt das damit verbundene Versprechen des Unbürokratischen?
Ich nähere mich diesen Fragen an die Gegenwart mit Hilfe einer historischen Analyse der Semantiken der Bürokratiebegrifflichkeit. Die Suche führt, grob formuliert, in drei große, sich zum Teil überlappende 'Diskursarenen': die politische, die wissenschaftliche, die praktische. Der mit Hilfe des Wortes Bürokratie fokussierende Blick auf die Geschichte(n) der Bürokratiekritik schärft, so meine Behauptung, unser Verständnis für den gegenwärtigen Entbürokratisierungsdiskurs und seine Risiken - ein deutscher Diskurs, der in ganz anderer und doch ähnlicher Form in vielen anderen Staaten und überstaatlichen Organisationen geführt wird.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Cancik, Pascale (Tübingen, 2023)
Cancik, Pascale (Tübingen, 2022)
Streitsache Staat : die Vereinigung der Deutschen Staatsrechtslehrer 1922-2022
Cancik, Pascale (Baden-Baden, 2020)
»Bürokratie« als negative Markierung : zur Semantik von Staats- und EU-Kritik
Cancik, Pascale (2020)
Cancik, Pascale (Paderborn, 2018)
Die EU als Bürokratie der Anderen - zur Semantik gegenwärtiger EU-Kritik
Cancik, Pascale (2018)
Der Kampf um Gleichberechtigung als Voraussetzung der demokratischen Republik
Cancik, Pascale (2017)
"Effektive Opposition" im Parlament - eine ausgefallene Debatte?
Cancik, Pascale (Berlin, 2017)
Zuviel Staat? : die Institutionalisierung der "Bürokratie"-Kritik im 20. Jahrhundert
Cancik, Pascale (Dessau-Roßlau, 2015)
TUNE ULR Technisch wissenschaftliche Unterstützung bei der Novellierung der EU-Umgebungslärmrichtlinie (AP3) : Arbeitspaket 23: Geschwindigkeitsreduzierungen / von Eckhart Heinrichs, Jörg leben, Anne-Susan Hänisch, LK ARgus Gmbh, Berlin, Pascale Cancik Texte / Umweltbundesamt ; 33.2015
Cancik, Pascale (Dessau-Roßlau, 2015)
TUNE ULR Technisch wissenschaftliche Unterstützung bei der Novellierung der EU-Umgebungslärmrichtlinie (AP3) : Arbeitspaket 3: Ruhige Gebiete / von Eckhart Heinrichs, Jörg leben, Anna Straubinger, LK ARgus Gmbh, Berlin, Pascale Cancik Texte / Umweltbundesamt ; 74.2015