Jan Felix Gaertner, Dr. phil.
Professor für Klassische Philologie
Universität zu Köln
Geboren 1976 in Bonn, Deutschland
Studium der Klassischen Philologie und Romanistik an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn und an der Universität Oxford
Arbeitsvorhaben
Recht unterhaltsam: die griechisch-römische neue Komödie zwischen Rechtswirklichkeit und Rechtsdenken
Während meines Aufenthaltes am Wissenschaftskolleg untersuche ich das Verhältnis von Recht und Literatur am Beispiel der griechischen und römischen Neuen Komödie, d. h. anhand der vollständig oder fragmentarisch erhaltenen Komödien, die in Athen bzw. Rom von Menander (342/341-293/292 v. Chr.), Plautus (ca. 250-180 v. Chr.), Terenz (ca. 185-159 v. Chr.) und ihren Zeitgenossen gedichtet und aufgeführt wurden. In diesen Bühnenstücken spielen juristische Normen (z. B. des Eherechts) eine zentrale Rolle, und die Bühnenfiguren diskutieren über rechtliche Fragen und gebrauchen häufig Argumentationsmuster aus Gerichtsreden. Da die erhaltenen römischen Dramen Nachdichtungen griechischer Komödien sind, lässt sich darüber hinaus gut verfolgen, wie sich der Umgang mit Recht in der Literatur bei der Übertragung von einer Kultur in eine andere verändert und wie die unterschiedlichen juristischen Parameter der Theateraufführungen in Rom und Athen die literarische Produktion und das Bühnenwesen geprägt haben.Im Rahmen meines Projektes möchte ich nicht nur das Verständnis der antiken Stücke und des antiken "Literaturbetriebes", des Aufführungswesens und des Rechtsdiskurses vertiefen, sondern gleichzeitig auch exemplarisch vorführen, welche Perspektiven die Erforschung des Verhältnisses von Recht und Literatur auf anderen Gebieten der antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Literatur bietet. Denn Recht und Literatur stehen in einem komplexen Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung: Das Recht gibt Bedingungen vor, unter denen Literatur geschaffen und rezipiert werden kann, und umgekehrt wirkt auch die Literatur auf das Rechtssystem ein, weil sie ethische und juristische Fragen thematisiert und so den gesellschaftlichen Diskurs über Gerechtigkeit, Gesetzgebung und Rechtsanwendung mitgestaltet.
Lektüreempfehlung
Gaertner, Jan Felix. "Law and Roman Comedy." In The Oxford Handbook of Greek and Roman Comedy, herausgegeben von Adele C. Scafuro und Michael Fontaine, 615-633. Oxford: Oxford University Press, 2014.
Kolloquium, 05.12.2017
Recht unterhaltsam: Recht und Rechtssprache in der griechisch-römischen "Neuen Komödie"
Recht und Literatur stehen in einem komplexen Verhältnis gegenseitiger Beeinflussung: einerseits gibt das Recht Bedingungen vor, unter denen Literatur geschaffen und rezipiert werden kann; andererseits wirkt die Literatur umgekehrt auch auf das Rechtssystem ein, weil sie ethische und juristische Fragen thematisiert und so den gesellschaftlichen Diskurs über Gerechtigkeit, Gesetzgebung und Rechtsanwendung prägt. Besonders reizvoll ist es, diese Wechselwirkung anhand der Werke der sogenannten "Neuen Komödie" in Athen (ca. 320 - 260 v. Chr.) und in Rom (ab 240 v. Chr.) zu untersuchen. Da die römischen Komödien Nachdichtungen griechischer Dramen sind, lässt sich nämlich in diesem Falle analysieren, wie sich die Thematisierung von Recht in der Literatur bei der Übertragung von einer Sprache und Kultur in eine andere verändert. Die lückenhafte Überlieferung der antiken Literatur und das Abhängigkeitsverhältnis zwischen griechischen und römischen Dramen erschweren jedoch diese Analyse. Bei der Betrachtung der römischen Komödie ist daher zunächst eine aufwendige Detailanalyse nötig, bei der neben den antiken Rechtsquellen auch die "Gesetze" (d.h. die literarischen Konventionen) der griechischen "Neuen Komödie" berücksichtigt werden müssen. Anhand der Rechtsberaterszene (Verse 441-464) in der Komödie "Phormio" (erstmals aufgeführt 161 v. Chr.) des römischen Dichters Terenz (ca. 190 - 159/158 v. Chr.) werde ich dieses Analyseverfahren vorstellen und zugleich auch einige Überlegungen zur dramatischen Wirkung präsentieren. Im Anschluss möchte ich den Blickwinkel weiten: Auf der Grundlage meiner früheren Forschung werde ich einige allgemeine Tendenzen und Unterschiede zwischen griechischem und römischem Theaterwesen sowie zwischen Menander (342/341 - 291/290 v. Chr.) und Plautus (ca. 250 - 184 v. Chr.) skizzieren. Hieraus werden sich dann mehrere offene Fragen und Probleme ergeben.
Auf dem Wiko-Board habe ich auf der Detailseite meines Dienstagskolloquiums jeweils eine lateinisch-englische und eine lateinisch-deutsche Ausgabe des "Phormio" bereitgestellt, so dass sich interessierte Fellows schon vor dem Vortrag einen Eindruck von dieser Komödie verschaffen können. Gerne werde ich versuchen, auch Fragen zu anderen Passagen als der Rechtsberaterszene zu beantworten.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Gaertner, Jan Felix (Pisa, 2021)
Gaertner, Jan Felix (2015)
Gaertner, Jan Felix (2015)
Gaertner, Jan Felix (Göttingen [u.a.], 2013)
Caesar and the Bellum Alexandrinum : an analysis of style, narrative technique, and the reception of Greek historiography Hypomnemata ; Bd. 192
Gaertner, Jan Felix (2008)
Livy's Camillus and the political discourse of the Late Republic
Gaertner, Jan Felix (Leiden [u.a.], 2007)
Writing exile: the discourse of displacement in Greco-Roman antiquity and beyond Mnemosyne <Leiden> ; 283