Nicolas Dodier, Dr.
Professor of Sociology
Institut national de la santé et de la recherche médicale (Inserm)
École des hautes études en sciences sociales, Paris
Born in 1957 in Paris
Studied Sociology at the École des hautes études en sciences sociales, Paris
Arbeitsvorhaben
The Mechanisms of Redress: a Sociological Approach
The construction of mechanisms ensuring the proper redress for the harm suffered by people, individually or collectively, as a result of detrimental events is an important issue in any society. In contemporary societies, this means looking into areas of study as diverse as judicial institutions, private and public compensation systems, victims' rights groups, the media, memorial devices, and medical and psychological care, all of which contribute to redress, albeit in different ways. Various scientific disciplines (psychology, psychiatry, neurosciences) have sought to precisely analyze victims' responses and to identify the general patterns characteristic of these responses. Economics provides tools to reveal the preferences of individuals faced with the various options offered to them after an accident. Legal science develops normative frames to organize and control redress practices. My current research aims to contribute to this field by using the tools offered by sociology, as well as those provided by anthropology and history. The project seeks to shed light on the complex normative work victims carry out around each of the mechanisms they are faced with. Based on an inquiry on the victims of a public health disaster in France and on a comparative approach to frameworks of redress, it aims to spark further studies on other domains (political violence; environmental and technological disasters).Recommended Reading
Dodier, Nicolas and Janine Barbot. "The Force of Dispositifs." Annales: Histoire et sciences sociales (English edition) 71, 2 (2017): 291-317.
Barbot, Janine and Nicolas Dodier. "Victims' Normative Repertoire of Financial Compensation: The Tainted hGH Case." Human Studies 38, 1 (2014): 81-96.
Barbot, Janine and Nicolas Dodier. "Rethinking the Role of Victims in Criminal Proceedings: Lawyers' Normative Repertoire in France and the United States." Revue française de science politique (English edition) 64, 3 (2014):
23-49.
Kolloquium, 25.02.2020
Immer mehr Opfer: Wie wirkt sich das auf Strafverfahren aus?
In vielen Gesellschaften ist die Zunahme des Raums, den man Opfern zugesteht, zu einem Reizthema geworden, bei dem zwei Positionen gegeneinander ausgespielt werden: die Position "Pro-Opfer", die eine Erweiterung dieses Raums befürwortet, gegen die Position "Anti-Opfer", die darin die Ursache einer Reihe von Regelwidrigkeiten sieht. Diese Polarisierung betrifft sowohl viele Mechanismen (auf der Ebene der Psychologie, des Rechts, der Medien, der Versicherungen) als auch verschiedene Bereiche (Umwelt, Arbeit, politische Gewalt, Terrorismus, sexuellen Missbrauch). In meiner Forschung verfolge ich das Ziel, diese Konflikte zu durchdenken, die entscheidenden Themen auszumachen, die zur Diskussion stehen, und die damit verbundenen Folgen für die Praxis zu verstehen. In meinem Vortrag konzentriere ich mich auf Strafverfahren als einem dieser Mechanismen, bei dem diese Spannungen besonders auffällig sind.
Im ersten Teil meines Vortrags möchte ich skizzieren, wie das Thema "Opfer" zur treibenden Kraft hinter den Konflikten und Neustrukturierungen auf intellektuellem Gebiet und insbesondere in den Sozialwissenschaften in den letzten vierzig Jahren wurde. Ich möchte zeigen, wie Intellektuelle über die Interpretation von vier Entwicklungen streiten: 1. die Schwächung der marxistischen Schemata, 2. das Aufkommen einer "Risikogesellschaft", 3. die Entstehung einer "Politik des Mitleids", 4. die Eskalation der Debatten um die Frage, wer die wichtigsten Opfer verschiedener Arten von Gewalt sind, die die Gesellschaft der Moderne seit mehr als einem Jahrhundert heimsuchen.
Zweitens möchte ich zeigen, dass es im selben Zeitraum auch einen Streit unter Rechtsexperten in Frankreich und den USA um die Rolle der Opfer in Strafverfahren gibt. In diesen Auseinandersetzungen geht es um Positionen zu mehreren wichtigen Fragen: die Frage nach der Objektivität von Urteilen in Strafverfahren, der Aufrechterhaltung von Fairness, der Begrenzung von Gewalt zwischen Opfern und Angeklagten und die Frage nach der Beschaffenheit der Zwecke, die den Verfahren zugeschrieben werden. Wie diese Konflikte, die zu einer Expansion der Rolle der Opfer geführt haben, den gängigen Gegensatz von Bewahrern und Fortschrittlichen bei der Bestimmung der Strafrechtspolitik mobilisiert und manchmal verwischt haben - das werden wir sehen.
Drittens möchte ich die tatsächlichen Praktiken von Richtern, Richterinnen, Anwältinnen, Anwälten und der Opfer selbst mit Blick auf diese neue Rolle erörtern; dazu beziehe ich mich auf eine ethnografische Studie eines Strafprozesses. Ich hebe dabei die Schnittstelle zwischen der Norm des Mitgefühls, der Notwendigkeit von Objektivität und dem Rechtsstreit hervor.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Dodier, Nicolas (Paris, 2023)
Des victimes en procès : essai sur la réparation Sciences sociales
Dodier, Nicolas (Paris, 2018)
Les objets composés : agencements, dispositifs, assemblages Raisons pratiques ; 28
Dodier, Nicolas (Paris, 2016)
Dodier, Nicolas (Dordrecht, 2015)
Victims’ normative repertoire of financial compensation : the tainted hGH case
Dodier, Nicolas (Paris, 2014)
Dodier, Nicolas (Paris, 2003)
Leçons politiques de l'épidémie de sida Cas de figure ; 1
Dodier, Nicolas (Paris, 1995)
Les hommes et les machines : la conscience collective dans les sociétés technicisées Collection Leçons de choses
Dodier, Nicolas (Paris, 1993)
<L'>expertise médicale : essai de sociologie sur l'exercice du jugement Collection Leçons de choses