Natasha Wheatley, Ph.D.
History
Princeton University
Born in 1984 in Sydney, Australia
Studied History at the University of Sydney and at Columbia University
Arbeitsvorhaben
The Temporal Life of States: Sovereignty at the Eclipse of Empire
"The Temporal Life of States" recasts the modern transformation of the world of states from the pivot point of Central Europe. It tracks a recurring set of questions about the legal birth and death of states, from the cradle of Austro-Hungarian constitutional law into the interwar international order and, beyond that, to the crisis of global decolonization that followed the Second World War.The collapse of the Austro-Hungarian Empire in 1918 sparked what we might call the 20th century's first jurisprudence of decolonization. As the empire gave way to a series of independent states, debate raged about whether these polities were "new" states or "old" states, with all that implied for the succession of rights and duties. Yet the arguments leveled for and against sovereign discontinuity turned out to be the internationalization of a longstanding imperial jurisprudence on the status of the empire's component polities. Had formerly independent units like Hungary preserved a sort of suspended sovereignty through the long centuries of imperial rule – sleeping sovereignties that could be reawakened at the moment of empire's eclipse? By the era of global decolonization, such questions about the temporal life of states - about the legal meaning of their mortality and their endurance, their continuity and discontinuity - became central conundrums for international order. Tracing the problem of states-in-time from the mid-19th century through to the mid-20th, the project presents an unfamiliar prehistory of the international law of decolonization, as well as new ways of understanding Central Europe in the world.
Recommended Reading
Wheatley, Natasha. "Spectral Legal Personality in Interwar International Law: On New Ways of Not Being a State." Law and History Review 35, 3 (2017): 753-787.
-. "New Subjects in International Law and Order." In Internationalisms: A Twentieth-Century History, edited by Patricia Clavin and Glenda Sluga: 265-286. Cambridge: Cambridge University Press, 2017.
-. "Mandatory Interpretation: Legal Hermeneutics and the New International Order in Arab and Jewish Petitions to the League of Nations." Past and Present 227 (May 2015): 205-248.
Kolloquium, 02.06.2020
Ordnungen des Denkens und Ordnungen der Herrschaft: Probleme der Souveränität in Mitteleuropa
Es ist ein Gemeinplatz, Wien zur Zeit des Fin de Siècle als "Geburtsstätte der modernen Welt" zu bezeichnen - mit ihren dunklen wie auch ihren hellen Seiten. Die Hauptstadt eines ausgedehnten, multinationalen Reichs im Zentrum Europas diente als Nährboden des Ethnonationalismus und Antisemitismus wie auch der Moderne und der Psychoanalyse, für Hitler gleichermaßen wie für Herzl, Freud, Musil, Klimt, Schönberg, Schiele. In meinem Buch, an dem ich während meines Aufenthalts am Wiko gearbeitet habe, wende ich mich dem Habsburgerreich als einem Experimentierfeld für einen anderen Bereich zu, nämlich für Probleme der Souveränität. Das Reich bestand aus vielen kleineren historischen Staaten, die zwar schon lange fest miteinander verbunden waren, theoretisch aber immer noch verschiedene Grade an Autonomie besaßen, sowie aus etwa zwölf unterschiedlichen ethnisch-sprachlichen Gruppen. Daher musste das Reich erhebliche Probleme bei der Verwaltung und Konzipierung der Herrschaft über diese komplizierten Erblande bewältigen. Aus genau diesem Grund entwickelte sich eine Verfassungstradition, die ihren Ursprung in der Krise der Revolutionen von 1848 hatte und sich zu einer außerordentlich reichhaltigen Reflexion über Rechte, Rechtsprechung, Staatlichkeit und verschiedene Formen einer mehrschichtigen oder gestreuten Souveränität entwickelte. Während diese Tradition von der Geschichtsschreibung, die sich mit Nationalismus beschäftigte, lange vernachlässigt wurde, kehre ich zu ihr zurück - als einem äußerst produktiven und aufschlussreichen Ort, von dem aus man über Souveränität und ebenso über postimperiale Souveränität nachdenken kann. Denn viele der Ideen, Probleme und Argumentationen - so zeige ich -, die am Dreh- und Angelpunkt der Habsburger Verfassungsdebatte entwickelt wurden, überlebten den Zusammenbruch des Reichs im Jahr 1918. Sie wurden in die internationale Arena verlegt, als sich Staatsmänner und Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen gleichermaßen darum bemühten, nicht nur den Tod eines Reichs zu verstehen, das das politische Leben Europas über Jahrhunderte strukturiert hatte, sondern auch die Entstehung einer Menge neuer Nationalstaaten an seiner Stelle. In dieser Hinsicht schreibe ich in meinem Buch die Geschichte Mitteleuropas noch einmal neu und schreibe sie um - zu einer Geschichte internationalen Rechts und Ordnung und mache einige Vorschläge, wie man Mitteleuropa in der Welt neu denken kann.
In seinem letzten siebzig Jahren (also von 1848 an) schlingerte das Reich durch eine Abfolge von Verfassungen, die seine Ordnung immer wieder neu entwarfen - wie ein Tagebuch, das das Reich über sich schrieb und mit dem es verschiedene Versionen seiner selbst festhielt. Im Verlauf derselben Periode entstand und entfaltete sich ein dynamisches neues Feld der Verfassungsrechtswissenschaft (mit Figuren wie Georg Jellinek und Hans Kelsen, um nur seine berühmtesten Vertreter zu nennen). In meinem Buch lese ich diese beiden Bereiche zusammen und untersuche die eng verknüpfte Geschichte von Denkordnungen und Rechtsordnungen. Das Buch legt etwas vor, das man als doppelseitige oder multidirektionale Ideen- und Geistesgeschichte bezeichnen kann: Ich erforsche die Verfassungen als Theorien, als Argumentationen über den/die betreffenden Staat(en) und analysiere sie so, wie wir vielleicht einen wissenschaftlichen Text analysieren; und umgekehrt erforsche ich juristisches Wissen als eine Praxis des Ordnens und Konstituierens bzw. Verfassens. In beiden Bereichen waren die Protagonisten auf der Suche nach Möglichkeiten, imperiale Souveränität zu beschreiben und zu konzipieren: Sie suchten (und suchten und suchten) nach Möglichkeiten, Herrschaft einen Sinn ergeben zu lassen. Und in beiden Bereichen gerieten sie schnell auf eine epistemologische Ebene: Die Fragen nach "Was ist der Staat/wie ist Souveränität aufgebaut?" waren unausweichlich mit den Fragen verbunden "Welches sind die richtigen Instrumente des Wissens, um das zu begreifen/wie können wir das wissen?". Wenn das Abfassen einer Verfassung eine neue Form des reichspolitischen Selbstbewusstseins erzeugte, so nährte es auch ein intellektuell-methodisches Selbstbewusstsein.
Dies ist nicht die Geschichte einer fertigen Idee oder einer bestimmten Souveränitätskonzeption: vielmehr geht es um das Projekt und den Prozess des Konzipierens, den Versuch, Sinn zu finden und die Welt in einer kohärenten, abstrakten Form zu kodieren, darum, was geschieht und wie es sich anfühlt, wenn die bestehenden Kategorien nicht funktionieren und man nach neuen suchen muss. Man könnten dies als Begriffsgeschichte des Widerstands des Lebens gegen Begriffe bezeichnen - eine Begriffsgeschichte darüber, keine Worte zu haben.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Wheatley, Natasha (Princeton, 2023)
The life and death of states : Central Europe and the transformation of modern sovereignty
Wheatley, Natasha (Chicago, 2020)
Power and time : temporalities in conflict and the making of history
Wheatley, Natasha (New York, NY, 2017)
Spectral legal personality in interwar international law : on new ways of not being a state