Zum Bildprogramm des Gebäudes
Beschrieben wird im Folgenden lediglich die Front zur Koenigsallee. Der zweigeschossige Mittelrisalit wird beiderseits begrenzt durch mächtige Pilaster mit opulenten Kompositkapitellen, die sich mit ihren Widderköpfen und Girlanden an römischen Grabaltären orientieren; auf den Kapitellen stehen dicht zusammengedrängt Putti, die als Telamone das Gebälk tragen. Zum Gebälk gehört ein Fries, in dem Meerwesen und Gorgonenmasken eine Mittelinschrift flankieren:
TREU IN WORT / WAHR IN RAT / FRISCH IN TAT / GOTT SCHÜTZE DEN BAU.
Über den ganzen Mittelrisalit wölbt sich ein mosaizierter Rundgiebel, der in der Mitte von einem Fenster durchbrochen wird: Über dem Fenster ein Viergespann in rasanter Fahrt nach links, stadteinwärts; in der linken Giebelhälfte Minerva und eine Frau mit (etwas verkrüppelter) Kithara; zwei nackte Männer repräsentieren die Toreutik und die Schwerindustrie; in der rechten Hälfte ebenfalls zwei Frauen (eine davon mit Schriftrolle, die zweite mit einer entblößten Brust) und zwei Männer: Bildhauer der eine, Steinmetz der andere. Unterhalb der Mosaike befindet sich eine zweizeilige Inschrift (die untere Zeile wird durch das vorkragende Gesims weitgehend verdeckt; zu sehen ist sie nur, wenn man die Straße überquert und zum Ufer des Herthasees hinabgeht);
links: NIL SINE MAGNO VITA LABORE / DEDIT MORTALIBUS (Horaz, Satiren 1,9,59f.: Nichts wird den Sterblichen im Leben zuteil ohne große Mühe); CARPE DIEM (Horaz, Oden 1,11,8: Nutze den Tag); rechts, in der oberen Zeile ARCHITECTURA MATER ARTIUM (Die Baukunst ist die Mutter aller Künste. Das ist selbstverständlich kein antikes Zitat: hier spricht der Bauherr selbst, der die Baukunst preist.)die untere Zeile enthält nur zwei Worte, nach rechts gerückt und dadurch von der oberen Inschrift deutlich abgesetzt; es fehlen einige Buchstaben: SENTEN[TIAE] MI[LI]TIAE (Denksprüche für den Kriegsdienst; das kann sich kaum auf das darüber stehende Lob der Baukunst beziehen, sondern ist wohl als Überschrift zu sämtlichen am Bau angebrachten lateinischen Zitaten zu verstehen).
Das auffälligste Element am ganzen Mittelrisalit ist der hohe reliefierte Fries, der das Erdgeschoss bekrönt: In der Mitte thront Jupiter in Vorderansicht über einem Himmelsglobus; in seiner Rechten hält er ein Szepter, in der Linken eine Siegesgöttin auf (kleinerem) Globus. Flankiert wird der Göttervater von waffenschwingenden Kentauren und tanzenden Musikantinnen; der Fries setzt sich um die Ecke fort und zeigt beiderseits einen Krieger mit Pferd in der Levade (in vager Anlehnung an den Parthenon, Westfries Platte VIII).
Am rechten Flügel zeigt ein Bildpanel zwischen den beiden Fenstern einen jungen Krieger im Panzer mit Schild und Helm; neben ihm eine archaistische Athena mit Lanze; dazu die Inschrift: FAS EST ET AB HOSTE DOCERI (Ovid, Metamorphosen 4,428: Recht ist’s, auch vom Feinde zu lernen). Die äußere Ecke ist mit drei Panelen verziert; unten: Athene Promachos nach links; ihr Schild zeigt eine Tierkampfgruppe; vor ihren Füßen ein Hahn; darüber: TU NE CEDE MALIS, SED CONTRA AUDENTIOS [sic! richtig müsste es heißen: audentior] ITO (Vergil, Aeneis 6,95: Weiche nicht dem Übel, sondern tritt ihm kühner entgegen); in der Mitte: zwei gepanzerte Krieger vor einer Göttin im Peplos mit Szepter; darüber: PICTORIBUS ATQUE POETIS QUIDLIBET AUDENDI SEMPER FUIT AEQUA POTESTAS (Horaz, Ars poetica 9f.: Malern und Dichtern war stets das gleiche Vermögen gegeben, alles zu wagen, was sie wollten); oben: Apollo.
Im Bildprogramm dominieren männliche Wehrhaftigkeit und göttliche Siegesverheißung. Durch die vielen Inschriften wird, gewissermaßen mit geballter Faust, Anspruch auf Klassische Bildung erhoben. Von dieser ist allerdings nicht viel mehr übrig geblieben als ein konfuser, zusammenhangloser Haufen geflügelter Worte, die als Denksprüche für den Kriegsdienst („sententiae militiae“) mobilisiert werden: Man wüsste gerne, ob die entsprechende Inschrift im Rundgiebel prophetisch auf den unmittelbar bevorstehenden Krieg vorausweist oder den Kriegsausbruch bereits voraussetzt.
Luca Giuliani