Das Aufkommen narrativer Bilder in vergleichender Perspektive
06.–07. Juni 2019
In der Ikonographie der griechischen Antike kann man zwei Sorten von Bildern unterscheiden: die einen zeigen, was in der Welt üblicherweise der Fall ist; die anderen greifen auf eine ganz bestimmte Geschichte zurück. Die erste Kategorie von Bildern nenne ich deskriptiv, die zweite narrativ. Dabei zeigt sich, dass die gesamte griechische Ikonographie der Bronze- bzw. frühen Eisenzeit ausschließlich aus deskriptiven Bildern besteht: Gezeigt wird immer habituelles menschliches Verhalten. Narrative Bilder kommen erst im frühen 7. Jahrhundert a.C. auf. Ihre Präsenz auf mobilen Objekten, die für den Handel produziert worden sind, setzt einiges voraus:
1) Narrative Bilder rekurrieren auf eine Geschichte – die sie aber nicht selbst erzählen können, da ihnen dazu die Worte fehlen. Wer die Geschichte zu erzählen hat ist immer der Betrachter.
2) Dieser muss die betreffende Geschichte bereits kennen, sonst wird er die Pointe des Bildes nicht verstehen. Aber der Betrachter wird sicherlich viele Geschichten kennen. Daraus folgt:
3) Das Bild muss einen Hinweis enthalten, der den Betrachter überhaupt erst in die Lage versetzt, die richtige Geschichte zu identifizieren.Narrative Bilder dieser Art gibt es natürlich nicht nur in Griechenland, sondern auch in anderen Kulturen: Wie verhält es sich damit im Vorderen Orient, im alten Ägypten, in Indien und in China? Insgesamt allerdings sind narrative Bilder – so mein Verdacht – doch wesentlich seltener, als man vielleicht vermuten würde. Lessing hätte sich über einen solchen Befund nicht gewundert. Im Zentrum der von ihm entwickelten Medientheorie im Laokoon steht die These, wonach Bilder (im Gegensatz zu sprachlichen Texten) strukturelle Schwierigkeiten damit haben, sich auf narrative Stoffe einzulassen: Es dürfte sich lohnen, diese These noch einmal auf breiter Basis zu überprüfen und zu differenzieren.
Convener
Permanent Fellow
Luca Giuliani
Rektor des Wissenschaftskollegs (2007–2018), Professor (em.) der Klassischen Archäologie
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2018/2019
Ludwig-Maximilians-Universität München
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Fellow
2009/2010
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Nikolaus
Dietrich
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Harry
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Freie Universität Berlin
Carlo
Ginzburg
Fellow
1996/1997
Università di Bologna / UCLA Los Angeles
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Hölscher
Fellow
1997/1998
Universität Heidelberg
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Klonk
Fellow
2005/2006
Humboldt-Universität zu Berlin
Karin
Kukkonen
Fellow
2018/2019
Universität Oslo
Katja
Mellmann
Universität Bielefeld
Franco
Moretti
Former Permanent Fellow
Stanford University
Susanne
Muth
Fellow
2007/2008
Humboldt-Universität zu Berlin
Lukas
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Universität Wien
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Freie Universität Berlin
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Seidlmayer
Deutsches Archäologisches Institut, Kairo
Bhrigupati
Singh
Fellow
2018/2019
Brown University
Anthony
Snodgrass
University of Cambridge
Edzard
Visser
Universität Basel
Juliane
Vogel
Fellow
2018/2019
Universität Konstanz
Lorenz
Winkler-Horaček
Freie Universität Berlin
Viktoria
Räuchle
Ludwig-Maximilians-Universität München
Elisa
Roßberger
Ludwig-Maximilians-Universität München