Funktionelle neurologische Störungen: neue Konzepte therapeutisch umsetzen
06. März 2020
Jeder sechste Patient, der sich beim Neurologen vorstellt, leidet an einer funktionellen neurologischen Störung. Diese Gruppe von Krankheiten beschreibt neurologische Symptome (zum Beispiel Anfälle, Schwindel oder Zittern), welche nicht auf eine Schädigung des Nervensystems zurückzuführen sind. Während lange Zeit derartige Störungen als „Hysterie“ oder „Konversionsneurose“ bezeichnet und auf tiefsitzende psychische Konflikte zurückgeführt wurden, werden sie heute überwiegend als psychologisch mitbedingte Fehlanpassungen des Nervensystems verstanden. Im Licht der modernen Neurowissenschaften wurden seit der Jahrtausendwende Erklärungsmodelle erarbeitet, welche eine Weiterentwicklung verfügbarer Behandlungen ermöglichen. Zum Beispiel haben in ersten Studien verhaltenstherapeutische Ansätze bei der Behandlung dissoziativer Anfälle Erfolge gezeigt, die mit psychoanalytischen Methoden bis dato ausblieben. Für die Behandlung funktioneller Bewegungsstörungen (Zittern, Lähmungen) wurden spezielle physiotherapeutische Methoden entwickelt, welche wesentlich bessere Ergebnisse liefern konnten als Standard-Krankengymnastik oder Psychotherapie. Diese und andere Entwicklungen stellen einen wichtigen Wendepunkt in der klinischen Neurologie dar.
Aber: wie können die konzeptuellen und neurowissenschaftlichen Fortschritte in klinisch effektive Therapien und Versorgungsangebote in Deutschland umgesetzt werden? Welche Angebote müssen ambulant und stationär verbessert werden? Wie kann die multidisziplinäre Zusammenarbeit auf allen Ebenen gefördert werden? Welche Erkrankungen und Versorgungsstrukturen haben den dringendsten Reformbedarf?
In einem ganztägigen intensiven Workshop am Wissenschaftskolleg zu Berlin sollen diese Fragen unter der wissenschaftlichen Leitung des Antragstellers Dr. med. Stoyan Popkirov bearbeitet werden. Die Teilnehmerliste stellt sich aus einer diversen Gruppe klinisch und wissenschaftlich aktiver Experten zusammen. In vier thematischen Blöcken sollen Kernfragen zur translationalen Entwicklung im Bereich funktionelle neurologische Störungen erarbeitet werden. Die allgemeine Zielsetzung umfasst neben der Experten-Vernetzung auch die Verfassung klinisch-wissenschaftlicher Arbeiten für führende deutsche Medizin-Journale, sowie die Planung kollaborativer Versorgungsprojekte (z. B. vernetzte Ambulanzen, Behandlungskanäle, online Ressourcen für Patienten).
Der Workshop wurde gefördert von der Fritz Thyssen Stiftung.
Convener
Kontakt
Teilnehmer
Gerrit
Brandt
Immanuel Klinik Rüdersdorf
Georg
Ebersbach
Kliniken Beelitz
Elena
Enax-Krumova
Bergmannsheil, Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum
Jan-Frederik
Fischer
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Constanze
Hausteiner-Wiehle
BGU Murnau - Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Murnau, Technische Universität München
Gerd
Heinen
Berlin
Tina
Mainka
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Carl Eduard
Scheidt
Universitätsklinikum Freiburg
Tamara
Schmidt
Kliniken Beelitz
Anna Philine
Senf-Beckenbach
Charité - Universitätsmedizin Berlin
Dorothee
Kübler
Charité - Universitätsmedizin Berlin