Ausgabe 14 / Januar 2019
Editorial
von Katharina Wiedemann
"Most of our ideas are useless" - "die meisten unserer Einfälle taugen nichts" befindet der schwedische Soziologe Richard Swedberg im Gespräch darüber, wie Theoriebildung gelingen kann. Sicherlich würden die meisten seiner Ko-Fellows ihm mehr oder weniger freimütig beipflichten. Denken ist mühsame Arbeit, selbst wenn es – wie in der Wissenschaft – von genuinem Interesse getrieben ist. Wie häufig es in der Sackgasse endet, ist wohl weitgehend undokumentiert. Die guten Ideen aber, so hofft man, werden von Theorie und Methode herausgefiltert und schaffen es aufs Papier oder aber ins "paper" - gern auch online und vielleicht open access.
Im 14. Köpfe und Ideen-Heft präsentieren wir Ihnen natürlich ausschließlich zielführende Gedanken! Zwar nicht in der im Wissenschaftskolleg üblicherweise (und so auch dieses Jahr) anzutreffenden Bandbreite von Fachrichtungen, denn es sind diesmal strenggenommen nur drei Disziplinen vertreten: 2 x Evolutionsbiologie, 2 x Soziologie und 1 x Literatur. Aber das Themenspektrum ist trotzdem kaum weniger breit als bei einer bunteren Fächerzusammenstellung: Wasserflöhe, die eigentlich Krebse sind. Riesige Datensätze, in denen nach Aufschlüssen über menschliches Entscheidenkönnen gegraben wird. Das ewig hippe Berlin, welches an seinen unspektakulärsten Orten seine interessantesten Seiten zeigt. Außerdem die Definition von Organismen als Systeme, die es zu einer beachtlichen Kompetenz bei der Bewältigung interner Konflikte gebracht haben. All dies - um zum Eingangszitat zurückzukehren - kann nur durchdacht und bearbeitet werden, sofern man sein Theoriewerkzeug gut gepflegt hat.
In einem Punkt unterscheiden sie sich unsere Fellows kaum voneinander: sie verbringen viel Zeit am Schreibtisch. Und bittet man sie darum zu simulieren, wie Schreibtischarbeit aussieht, so entfaltet sich sofort eingespielte Geschäftigkeit. Die Verhaltensmuster der hier vorgestellten Denkerinnen und Denker scheinen sich zu ähneln, auch wenn sie in den unterschiedlichsten Gedankensphären leben. Die Kunst des Wissenschaftskollegs muss es daher sein, die Fellows immer wieder von ihren Schreibtischen wegzulocken, um sie miteinander ins Gespräch zu bringen - jedes Jahr aufs Neue ein schönes Experiment.