Schwerpunktgruppe 2013/2014
Ursprung und Evolution auffälliger (Geschlechts-) Merkmale
Einige Gruppen von Organismen weisen eine bemerkenswerte Formenvielfalt auf. Die konventionelle Evolutionstheorie versucht, diese Vielfalt als eine Akkumulation kleiner Veränderungen über einen langen Zeitraum hinweg zu erklären. Wir wissen jedoch von einigen Merkmalen, dass sie einer sehr schnellen Evolution unterliegen und zwischen den Spezies extrem variieren, was oft das Ergebnis sexueller Selektion ist. Dabei paart sich nur eine bestimmte Gruppe von Männchen mit den Weibchen, und zwar aufgrund der besonderen Merkmale der Männchen. Solche auffälligen Merkmale machen es möglich, die genetischen und ökologischen Faktoren zu bestimmen, die mit einer schnellen und extremen Veränderung des Phänotyps einhergehen. Auf diese Weise kann man grundsätzlich Erkenntnisse darüber gewinnen, wie neue Merkmale entstehen und sich im Verlauf der Evolution diversifizieren.
Mit der Entwicklung neuer Sequenzierungstechniken ist es jetzt möglich, in kurzer Zeit auf das Genom von fast jedem Organismus zuzugreifen. Durch den Vergleich mit verwandten Modellorganismen ist es auch möglich, jene Veränderungen im Genom zu ermitteln, die die Entwicklung neuer Merkmale zulassen oder beeinflussen könnten. Das Ziel dieser Schwerpunktgruppe besteht darin, Techniken der Bioinformatik zum Einsatz zu bringen und diese vergleichende Methode auf verschiedene Gruppen von Organismen anzuwenden, etwa bestimmte Fische, Vögel und Fliegen. Bei diesen gibt es annotierte Genome sowie neue Genomdaten von einer oder mehreren Spezies, die nicht als Modell fungieren und die eine neue Formenvielfalt zeigen – etwa leuchtende Farben, extreme Modifikationen der Kopfform oder ungewöhnlich lange Spermien. Von besonderem Interesse sind Fragen nach der Rolle der Genduplikation in der potenziellen Expression und in der Wahrnehmung von auffälligen Merkmalen, nach der Rolle der Geschlechtschromosomen bei der Beeinflussung der Expression und Evolution solcher Merkmale und danach, inwiefern Genomkonflikte, die von sich selbst replizierenden Elementen – z. B. Transposonen – verursacht werden, an der Evolution der Formenvielfalt beteiligt sein können, indem sie die Veränderungen des Genoms und neue Genfunktionen erleichtern.
Gerald S. Wilkinson