Paul Windolf, Dr. rer. pol.
Professor der Soziologie
Universität Trier
Geboren 1946 in Düsseldorf
Studium der Soziologie und Geschichte an der Universität Freiburg
und der Sorbonne Paris und Soziologie und Ökonomie an der
Freien Universität Berlin
Arbeitsvorhaben
Unternehmensverflechtung im organisierten Kapitalismus 1896-1938: Deutschland, USA und Frankreich im Vergleich
Bereits vor dem 1. Weltkrieg haben sich in den Industriestaaten zentrale Institutionen herausgebildet, die bis in die Gegenwart die institutionelle Struktur des Kapitalismus in den einzelnen Ländern geprägt haben. In Deutschland zählten dazu z. B. das Kartell, die Unternehmensverflechtung, der Tarifvertrag und die betriebliche Interessenvertretung. In den USA waren es die Großunternehmen (Massenproduktion), der Trust und die Anti-Trustgesetzgebung. Mein Projekt konzentriert sich auf die Struktur der Unternehmensverflechtung in drei Ländern: Deutschland, USA und Frankreich. In diesen drei Ländern haben sich relativ dichte Netzwerke zwischen Unternehmen entwickelt, in denen die Banken eine zentrale Position einnahmen (Bankenkontrolle). Die vergleichenden Analysen beziehen sich auf den Zeitraum 1896-1938, und es werden zwei Typen von Netzwerken untersucht:1. Die Verflechtung zwischen Unternehmen zeigt, welche Unternehmen überhaupt verbunden waren; wie dicht und zentralisiert das Netz in den einzelnen Ländern war; und welche Position die Finanzunternehmen in diesem Netz eingenommen haben.
2. Aus dem gleichen Datensatz lässt sich auch ein Elite-Netzwerk rekonstruieren. Dabei geht es um eine vergleichende Analyse der Beziehungsstruktur zwischen den Mitgliedern der ökonomischen Elite. Die relative Bedeutung der Familienclans, der Religionszugehörigkeit und der akademischen Titel (bzw. des kulturellen Kapitals) kann mit Hilfe dieser Analyse bestimmt werden. Insbesondere lässt sich die Position jüdischer Unternehmer/Bankiers in den Elite-Netzwerken in Deutschland, den USA und in Frankreich in diesem Zeitraum untersuchen.
Lektüreempfehlung
Windolf, Paul. Corporate Networks in Europe and the United States. Oxford: Oxford University Press, 2002.
-. Expansion and Structural Change: Higher Education in Germany, the United States, and Japan, 1870-1990. Boulder: Westview Press, 1997.
-. "Wer ist Schiedsrichter in der Europäischen Union? Der Konflikt zwischen Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht." In Die Europäisierung nationaler Gesellschaften, herausgegeben von Maurizio Bach, 39-67. Wiesbaden: Westdeutscher Verlag, 2000. (Sonderheft der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie.)
Kolloquium, 28.02.2006
Varieties of Capitalism Unternehmensverflechtung in Deutschland und in den USA 1896-1938
Im späten 19. Jahrhundert entwickelte sich zwischen den Unternehmen ein relativ dichtes Netzwerk, das durch die Direktoren in den Aufsichtsräten der großen Aktiengesellschaften geschaffen wurde. Diese Verflechtung zwischen den Großunternehmen wird hier für den Zeitraum 1896-1938 für Deutschland und für die USA untersucht. Das Netzwerk erfüllte eine Reihe von Funktionen: Es entwickelte sich zu einem Medium der Selbstkontrolle in managergeleiteten Unternehmen; es wurde zu einem Instrument der Bankenkontrolle in kapitalintensiven Unternehmen; es war weiterhin eine Institution zur Regulierung der Konkurrenz im Zeitalter der Massenproduktion. In Deutschland stiegen die Dichte und Zentralisierung des Netzes parallel zur zunehmenden Kartellierung der Wirtschaft (kooperativer Kapitalismus); in den USA nahm die Dichte des Netzes in dem Umfange ab, wie die Antitrust-Gesetze durchgesetzt wurden (Konkurrenz-Kapitalismus). Es lassen sich eine Reihe von Strukturdifferenzen zwischen Deutschland und den USA nachweisen: In Deutschland finden wir einen höheren Anteil von Mehrfachbeziehungen, eine stärkere Bankenkontrolle (Kreditfinanzierung) und eine höhere intrasektorale Verflechtung zwischen Unternehmen (Kartell). Weiterhin ist das Netz im Vergleich zu den USA stärker auf zentrale Personen (big linker) fokussiert. Die vorliegende Untersuchung zeigt die Entstehung einer zentralen Kontroll- und Koordinationsinstitution des organisierten Kapitalismus, deren Strukturen bis in die Gegenwart relativ stabil geblieben sind. Auch die Strukturdifferenzen, die sich bis 1938 zwischen Deutschland und den USA entwickelt haben, sind bis in die Gegenwart stabil geblieben.
Manuskript verfügbar:
<a href>http://www.uni-trier.de/uni/fb4/soziologie/apo/netzwerk1896.pdf</a>
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Windolf, Paul (Frankfurt, 2022)
Die braune Wirtschaftselite : Unternehmer und Manager in der NSDAP
Windolf, Paul (Oxford, 2009)
Coordination and control in corporate networks : United States and Germany in comparison, 1896-1938
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Inklusion und Exklusion : Analysen zur Sozialstruktur und sozialen Ungleichheit
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Unternehmensverflechtung im organisierten Kapitalismus : Deutschland und USA im Vergleich 1896–1938
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Finanzmarkt-Kapitalismus : Analysen zum Wandel von Produktionsregimen Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie
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Corporate networks in Europe and the United States
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Warum blüht der Osten nicht? : Zur Transformation der ostdeutschen Betriebe Forschung aus der Hans-Böckler-Stiftung ; 13
Windolf, Paul (Boulder, Colo. [u.a.], 1997)
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Berufliche Sozialisation : zur Produktion des beruflichen Habitus Enke-Sozialwissenschaften