Horst Eidenmüller, Dr. iur., LL.M. (Cambridge)
Professor für Bürgerliches Recht, Deutsches, Europäisches und Internationales Unternehmensrecht
Ludwig-Maximilians-Universität München
Born in 1963 in Munich
Studied Law at the Ludwig-Maximilians-Universität Munich and at the University of Cambridge, England
Arbeitsvorhaben
Wettbewerb der Gesellschaftsrechte und der Insolvenzrechte in Europa
Market based social systems are shaped by competition for goods and services. Yet at least in Europe - in contrast to the US - few are aware of the fact that the law can also be exposed to competition. As a matter of fact, however, European jurisdictions find themselves rivaling with each other, trying to increase demand for their "legal products". This is especially true for the economically important fields of company and insolvency law. International competition between company and insolvency law systems has taken hold of Europe.The European Court of Justice in particular triggered this development through a line of recent groundbreaking judgments. Under this new case law, anyone wishing to establish a new company, e. g. in Germany, is no longer limited to the legal forms offered by German law, but can instead choose to incorporate in another jurisdiction such as England or the US. The situation is comparable in insolvency law: at least de facto, the parties are more or less free to choose the insolvency venue and thereby the law applicable to the proceedings.
The impact of this development is dramatic: today, more than one in five German firms chooses to incorporate abroad. German company law is losing "market shares" especially to the UK, which entails a corresponding loss in domestic political influence over these firms. Likewise, London has become the leading forum for insolvency proceedings with regard to international corporate groups. The move to foreign jurisdictions implies a loss in revenues for domestic service industries such as the legal or the accounting professions. The far-reaching effects of such competition are demonstrated by the American example: in the US, the small east-coast state of Delaware is home to more than half of the top 500 listed US stock corporations and thus dominates American corporate law. At the same time, Delaware is - next to New York - also a leading forum for insolvencies of large stock corporations.
Against this background, the project aims at a thorough assessment and analysis of the competition between national company and insolvency laws in Europe. The research objectives are as follows: first, to assess the extent of existing competition in the European Union; second, to examine the implications for the stakeholders affected (shareholders, employees, and creditors); third, to evaluate the recent development from both a legal and economic perspective; and finally, to point out potential consequences for European and national law reforms.
Recommended Reading
Eidenmüller, Horst. "Free Choice in International Company Insolvency Law in Europe." European Business Organization Law Review (EBOR) 6 (2005): 423-447.
Eidenmüller, Horst. "Die GmbH im Wettbewerb der Rechtsformen." Zeitschrift für Unternehmens- und Gesellschaftsrecht (ZGR) 36 (2007): 168-211.
Eidenmüller, Horst. "Private Equity, Leverage, und die Effizienz des Gläubigerschutzrechts." Zeitschrift für das gesamte Handelsrecht und Wirtschaftsrecht (ZHR) 171 (2007): 644-683.
Kolloquium, 24.03.2009
Recht als Produkt
Wettbewerb auf Waren- und Dienstleistungsmärkten ist ein zentrales Merkmal kapitalistischer Ökonomien. Die Märkte entscheiden, welche Produkte und Dienstleistungen zu welchem Preis angeboten werden. Die Grenzen des Marktes hängen von der gesellschaftlichen Entscheidung ab, was handelbare Güter sind. Bis heute sieht es so aus, als gehöre das Recht nicht in diese Kategorie. Wir fassen Recht als Rahmen auf, innerhalb dessen sich der Handel auf dem Markt abspielt. Aber das Recht selbst betrachten wir nicht als Ware.
Dennoch ist Recht ein Produkt geworden - in vielen Gebieten der Welt und in Bezug auf viele verschiedene Themen. Einzelpersonen und Unternehmen schauen sich nach den attraktivsten rechtlichen Regelungen um, und Staaten konkurrieren um Kunden für ihre Angebote. Eine italienische Unternehmerin mit Wohnsitz in Berlin könnte etwa eine GmbH englischer Rechtsform gründen, über welche die Geschäftsaktivitäten ausgeführt werden, das Geschäft mit Anleihen und Krediten finanzieren, die New Yorker Recht unterstehen, die Schiedsgerichtsbarkeit der Schweiz zur Schlichtung möglicher Konflikte wählen und einen Privatkonkurs in Frankreich anmelden, wenn das Unternehmen scheitert. All dies geschieht von einer Villa im Grunewald aus und mit dem Ziel der Nutzenmaximierung. Die zuvor genannten Jurisdiktionen werben aktiv für ihre Rechtsprodukte und reagieren sensibel auf Veränderungen der Nachfrage. Wenn die Gesetze einer bestimmten Jurisdiktion gut im Geschäft sind, dann geht es auch den steuerzahlenden Rechtsfachleuten wie z. B. Anwälten und Steuerberatern gut.
Im meinem Vortrag will ich versuchen, dieser Entwicklung auf die Spur zu kommen und einige Fragen zu beleuchten, die damit im Zusammenhang stehen: 1. Was genau meinen wir, wenn wir von "Recht als Produkt" sprechen? 2. Was ist für die Existenz eines Rechtsmarkts erforderlich? 3. In welchen Bereichen ist das Recht ein Produkt geworden? 4. Wer sind die Marktführer? 5. Welche Folgen hat es, dass Recht ein Produkt geworden ist? 6. Wie soll man diese Folgen bewerten? 7. Wie sollten die Gesetzgeber in (föderalen) Staaten reagieren? Dabei möchte ich mich auf Unternehmen als Marktteilnehmer und die europäischen Rechtsordnungen konzentrieren. Ich werde aber auch Vergleiche mit anderen Ländern anstellen, insbesondere mit den USA. Der Schwerpunkt soll auf dem Gesellschaftsrecht, dem Vertragsrecht, der Streitbeilegung und dem Insolvenzrecht liegen. Andere Rechtsgebiete, die eine ähnliche Entwicklung zeigen, etwa das Eherecht, das Sachen- und das Steuerrecht, möchte ich außen vor lassen.
Der Rechtsmarkt wird durch erweiterte Wahlmöglichkeiten für Einzelpersonen und Unternehmen angeheizt: Die freie Wahl des anwendbaren Rechts ist weltweit seit vielen Jahren als Regel des internationalen Privatrechts (Kollisionsrechts) auf dem Vormarsch, nicht nur im Vertragsrecht, wo die Doktrin ursprünglich entwickelt wurde. Inzwischen ist es in vielen Bereichen möglich, bestimmte gesetzliche Regelungen unabhängig vom Rechtsterritorium und isoliert von anderen gesetzlichen Regelungen einer bestimmten Jurisdiktion zu wählen ("Entflechtung"). Gleichzeitig hat der technische Fortschritt die Informations- und Transaktionskosten bedeutend gesenkt - und dadurch auch die Kosten, klug und rasch eine Wahl in Bezug auf das anwendbare Recht zu treffen.
Das wichtigste Thema ist sicherlich die normative Bewertung des Rechtsmarkts und die daraus folgenden Politikempfehlungen. Aus ökonomischer (utilitaristischer) Sicht sollte der Regulierungswettbewerb zwischen den Jurisdiktionen als Entdeckungsverfahren funktionieren, das zu einem effizienten Gleichgewicht führt, wenn kein Marktversagen aufgrund von externen Effekte oder Informationsasymmetrien vorliegt. Auf dieser analytischen Grundlage kann man zeigen, dass die Wahl des anwendbaren Rechts insbesondere dann Probleme aufwirft, wenn sie sich negativ auf Dritte auswirkt oder wenn eine der Parteien sich den Folgen ihrer Wahl gegenüber rational ignorant verhält. Das hat Auswirkungen auf die angemessene Allokation von Rechtsetzungskompetenzen in der Europäischen Union und entsprechend auf die wünschenswerte Reichweite einer zulässigen Rechtswahl. Schließlich ist die Fähigkeit, das anwendbare Recht zu wählen, eine Kompetenz, die vom geltenden (verfassungs)rechtlichen Rahmen gewährt wird. Dieser Rahmen kann verändert werden. Das Recht ist nur deswegen ein Produkt geworden, weil das Recht dies zugelassen hat.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Eidenmüller, Horst (Berlin, 2009)
Finanzkrise, Wirtschaftskrise und das deutsche Insolvenzrecht : Vortrag, gehalten vor der Juristischen Gesellschaft zu Berlin am 10. Juni 2009 Schriftenreihe der Juristischen Gesellschaft zu Berlin ; 187
Eidenmüller, Horst (München, 2009)
Verhandlungsmanagement : Analyse, Werkzeuge, Strategien Beck im dtv
Eidenmüller, Horst (Tübingen, 2005)
Der homo oeconomicus und das Schuldrecht : Herausforderungen durch Behavioral Law and Economics
Eidenmüller, Horst (Tübingen, 2005)
Effizienz als Rechtsprinzip : Möglichkeiten und Grenzen der ökonomischen Analyse des Rechts Die Einheit der Gesellschaftswissenschaften ; 90
Eidenmüller, Horst (2004)
Die Dogmatik der Zession vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung