Luc Steels, Dr.
Professor der Informatik
Vrije Universiteit Brussel
Born in 1952 in Belsele, Belgium
Studied Germanic Languages and Literature at the University of Antwerp and Computer Science at the Massachusetts Institute of Technology
Schwerpunkt
Was ist Sprache, Denken und Bewegung gemein? Ein holistischer Ansatz
Arbeitsvorhaben
Die Ursprünge von Sprache und Bedeutung@@@
My current research aims to conceive and validate a theory of the origins and evolution of language. This will only be possible if we have deep insight into all aspects of cognition that are involved in the invention and learning of language: We need to understand how embodied action is possible, how individuals can perceive the world and share world models even if they have different perspectives, how they categorize their world for language, how they represent vocabulary and grammar and use that in parsing and production. So we need to adopt a whole systems approach that cuts through all the boundaries currently dividing the cognitive sciences. We also need to understand the 'semiotic dynamics' that arises in groups of agents as they bootstrap progressively more complex communication systems. My project at the Wissenschaftskolleg will attempt to deepen and synthesize the experiments we have conducted so far and contribute to the focus group on Understanding the Brain.Recommended Reading
Loreto, V. and L. Steels. 2007. "Emergence of language." Nature Physics 3, 11: 758-760.
Steels, L. and T. Belpaeme. 2005. "Coordinating perceptually grounded categories through language: a case study for colour." Target article. Behavioral and Brain Sciences 28, 4: 469-490.
Steels, L. 2003. "Evolving grounded communication for robots." Trends in Cognitive Science 7, 7: 308-312.
Kolloquium, 12.05.2009
Die Ursprünge der Sprache - Darwins ungelöstes Geheimnis
Obwohl Darwins Theorie der natürlichen Auslese bei der Erklärung von Ursprung und Anpassung der biologischen Arten enorm erfolgreich war, gibt es eine Lücke, eine quälende Frage, die im Wesentlichen ungelöst bleibt - die Frage nach den Ursprüngen und der Evolution von Sprache, jener Fähigkeit, die von vielen als das betrachtet wird, was uns als Menschen einzigartig macht. Es gibt dazu jede Menge schöne Geschichten, Mythen und Spekulationen. Aber ist es auch möglich, einen wissenschaftlichen Ansatz zu entwickeln, der mit dem vereinbar ist, was wir heute über Neurobiologie, Genetik, Evolutionsbiologie, Linguistik, Kognitionswissenschaften und die kulturelle Evolution wissen? Können wir eine klare, widerlegbare Theorie konstruieren und sie mit empirischen Beobachtungen, mathematischen Beweisen und wiederholbaren Experimenten validieren? Derzeit tobt eine heftige Debatte zwischen zwei entgegengesetzten Hypothesen.
1. Entweder hat Sprache rein biologische Ursachen und ist nur ein Sonderfall genetischer Evolution durch natürliche Auslese. Wenn das zutrifft, sollten wir eine hoch spezialisierte neuronale Struktur im Gehirn vorfinden, die für den Erwerb und Gebrauch von Sprache verantwortlich ist, und wir sollten auf Sprachgene stoßen, die dieses "Sprachorgan" im Zuge der Hirnentwicklung formen. Wir können dann ein darwinsches Szenario ausarbeiten, in dem sich die erfolgreiche Verwendung symbolischer Kommunikation auf die Fitness auswirkt und auf diese Weise einen positiven Selektionsdruck auf diese Sprachgene ausübt.
2. Doch Sprache könnte auch soziokulturelle Ursprünge haben. In unserer Spezies könnte das Hirn einen so außerordentlich hohen Entwicklungsgrad erreicht haben, dass die notwendigen arttypischen Kognitionsmechanismen zum Aufbau und zur Verwendung eines symbolischen Kommunikationssystem einfach da waren zur Verfügung standen. Wenn erst einmal ein rudimentäres System vorhanden ist, setzt die kulturelle Revolution ein und unterstützt die weitere Überlieferung und das kumulative Anwachsen der Sprachkomplexität.
In meinem Labor haben wir versucht, ein solches soziokulturelles Szenario auszuarbeiten und zu validieren. Wir haben dabei eine besonders gewagten Weg eingeschlagen. Da wir es mit unglaublich komplexen Phänomenen zu tun haben, die sich der direkten Beobachtung entziehen, konzentrieren wir uns auf den Entwurf von Modellen. Um diese Modelle zu überprüfen, geben wir ihnen eine konkrete Form als künstliche Akteure, d. h. wir bauen reale humanoide Roboter. Unsere Experimente konzentrieren sich für gewöhnlich auf spezielle sprachliche Phänomene, wie etwa Farbbezeichnungen, Tempus und Aspekt, Verben des Handelns, Bestimmungsworte, räumliche Präpositionen, Fallmarkierung oder Nebensatzbildung, und wir versuchen zu erklären, wie sich dies entwickelt haben könnte; dazu entwerfen wir ein Experiment, in dem das Phänomen aus der Interaktion zwischen den Robotern entstehen kann.
Als ersten Schritt entwickeln wir all jene Fähigkeiten zurück, die Roboter brauchen, um situationsgebundene Sprachspiele über die materielle Welt spielen zu können und sich dabei eines schon bestehenden natürlichen Systems zu bedienen, z. B. die Farbbezeichnungen im Spanischen oder die Aspektmarkierungen im Russischen. Diese Fähigkeiten erfordern nicht nur Mechanismen, um die Welt in Begriffen zu fassen, um Bedeutungen zu interpretieren, die Syntax zu analysieren, die lexikalischen und grammatikalischen Strukturen zu produzieren, sondern auch die notwendige Motorik und die Wahrnehmungsprozesse, die erforderlich sind, um das Sprachspiel auf materieller Ebene zu spielen. Als nächstes entwickeln wir das Lernen, die Erfindungs- und Angleichungsstrategien zurück, die zum natürlichen System dieser Art geführt haben und zeigen, dass Robotter, die mit solchen Fähigkeiten ausgestattet sind, tatsächlich in der Lage sind, ihre eigenen künstlichen Sprachsysteme autonom zu organisieren; dabei zeigen dieses Systeme Eigenschaften, die denen menschlicher Sprachen ähneln. So zeigen wir etwa, dass Roboter grammatische Systeme erfinden und koordinieren können, um die Rollen der Teilnehmer bei den Ereignissen auszudrücken, die sie vor sich sehen.
In diesem Vortrag erläutere ich einige Beispiele erfolgreicher Experimente und skizziere dann eine Theorie der Sprachevolution anhand von sprachlicher Auslese, die das Ergebnis dieser Experimente ist. Es zeigt sich, dass viele grundlegende Konzepte der Evolutionsbiologie wie Variation, Konkurrenz, Auslese, Exaptation, Fitness etc. in den Bereich kultureller Sprachevolution übertragen werden können. Die sprachliche Auslese wird von der Maximierung des Kommunikationserfolgs und von der Minimierung des kognitiven Aufwands angetrieben. Aus der unvermeidlichen Variation der sprachlichen Konstruktionen und Bedeutungen, die in einer Population zirkulieren, werden diejenigen ausgelesen, die den kommunikativen Anforderungen der Population am besten angepasst sind. Eine entgültige Antwort auf die Frage, wie Sprachen entstanden sind und wie sie sich entwickelt haben, steht noch aus, aber wenigstens haben wir jetzt eine solide Methode, mit der man bestimmte Aspekte dieser Fragestellung untersuchen kann.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Steels, Luc (New York, NY, 2017)
Human language is a culturally evolving system
Steels, Luc (Amsterdam, 2017)
Basics of fluid construction grammar
Steels, Luc (Amsterdam, 2016)
Steels, Luc (London, 2016)
Agent-based models for the emergence and evolution of grammar
Steels, Luc (2016)
Do languages evolve or merely change?
Steels, Luc (Berlin, New York, NY, 2016)
Fluid construction grammar as a biological system
Steels, Luc (Washington, DC, 2015)
Music learning with massive open online courses (MOOCs) The future of learning ; v. 6
Steels, Luc (Berlin, 2015)
The Talking Heads experiment : origins of words and meanings Computational models of language evolution ; 1
Steels, Luc (New York [u.a.], 2012)
Grounding language through evolutonary language games
Steels, Luc (Berlin, 2012)
Computational issues in fluid construction grammar : a new formalism for the representation of lexicons and grammars Lecture notes in computer science ; 7249