Shulamit Volkov, Ph.D.
Professorin der Geschichte
Universität Tel Aviv
Born in 1942 in Tel Aviv
Studied History and Philosophy at Hebrew University, Jerusalem and at the University of California, Berkeley
Arbeitsvorhaben
1. Walther Rathenau - ein biographischer Essay; 2. Essay zur Historiographie des Nationalsozialismus
Ad 1. This is an attempt to provide a relatively short but comprehensive biography of Walther Rathenau for a Yale University Press project of Jewish biographies. Rathenau's life provides an interesting perspective from which to observe both German and Jewish history in an important historical period. Unlike in Germany, little has appeared on Rathenau in English. My book would thus update English readers and strive to properly balance the Jewish and the German sides of the story and to make sense of Rathenau's life for the modern reader, and perhaps even contribute to a number of still contested issues, above all issues related to aspects of Jewish assimilation and to the overall meaning of modernity - then and now.Ad 2. While at the Wissenschaftskolleg, I'll also try to complete an essay on the historiography of National Socialism, written as an extended review of Saul Friedlaender's last volume The Years of Extermination.
Recommended Reading
Volkov, Shulamit. Antisemitismus als kultureller Code. Munich: Beck, 2000.
-. Das jüdische Projekt der Moderne. Munich: Beck, 2001.
-. Germans, Jews, and Antisemites: Trials in Emancipation. New York: Cambridge University Press, 2006.
Kolloquium, 04.12.2008
Geschichtsschreibung in der Wiederholungsschleife: Der nationalsozialistische Antisemitismus
Anscheinend ist der Antisemitismus - damit meine ich sowohl intuitiven Judenhass als auch die voll entwickelte Ideologie, die die Juden für alles Böse verantwortlich macht - die entscheidende, am weitesten verbreitete und auf der Hand liegende Erklärung für den Umgang der Nationalsozialisten mit der "Judenfrage"; schließlich kulminierte der Antisemitismus in der Vernichtung der Juden in europäischem Maßstab. Für viele, vielleicht für die meisten Juden, ist dieser "ewige Hass" eine historische Tatsache. Der Zionismus hat ihn zu einem seiner Grundpfeiler gemacht. Hannah Arendt stellte diese Auffassung jedoch bereits 1951 in Frage und behauptete sogar, dass die These vom Judenhass dazu beitrug, die Juden angesichts der Bedrohung durch die Nazis zur verwirren und zu desorientieren.
Seitdem ist das Paradigma vom "ewigen Hass" zum wiederholten Mal in Frage gestellt worden, insbesondere im Kontext der deutsch-jüdischen Geschichte im 19. Jahrhundert. Die offenkundige Gleichgültigkeit vieler Täter gegenüber ihren Opfern erforderte zumindest einige zusätzliche Erklärungen. Tatsächlich drehte sich die wichtigste historiografische Kontroverse - die zwischen "Intentionalisten" und "Funktionalisten" - ebenfalls um dieses Thema; u. a. versuchten letztere, andere und manchmal komplexere Erklärungen für die Geschichte der judenfeindlichen Politik der Nazis zu entwickeln. Eine Zeit lang sah es so aus, als könnten wir einen gangbaren Mittelweg zwischen den widerstreitenden Ansichten ebnen, so dass wir die alten eindimensionalen Erklärungen durch differenziertere ersetzen könnten.
Meine These ist, dass man jetzt eine Rückkehr der alten Erklärungsmuster entdecken kann, die einen zirkulären Weg nahe legen, ein Charakteristikum dieser Geschichtsschreibung (oder aller Geschichtsschreibung), eine Bewegung in einer Wiederholungsschleife. Ich möchte zeigen, dass neuerdings etwa die Persönlichkeit Hitlers oder der Antisemitismus (insbesondere in seinen traditionellen Formen) wieder in den Vordergrund gerückt werden - und dass dabei eine Menge detaillierter und jüngst unternommener Forschungen außer Acht gelassen werden, die sowohl in alten wie in neuen Archiven, mit neuen wie mit alten Konzeptionen durchgeführt wurde. Ich möchte Beispiele solcher Unachtsamkeiten auch in allgemeinen Untersuchungen des Nationalsozialismus bringen, die sich nicht notwendig mit den Juden befassen. Natürlich möchte ich versuchen, diesem Phänomen Rechnung zu tragen und - mit großer Vorsicht - einige Wege aufzeigen, wie man diese Falle vielleicht vermeiden könnte.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Volkov, Shulamit (München, 2022)
Deutschland aus jüdischer Sicht : eine andere Geschichte vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart
Volkov, Shulamit (New Haven, 2012)
Walther Rathenau : Weimar's fallen statesman Jewish lives
Volkov, Shulamit (2009)
Jewish Emancipation, Liberalism and the Challenge of Pluralism in Modern Germany
Volkov, Shulamit (Cambridge, 2006)
Germans, Jews, and antisemites : trials in emancipation Ba-maʿagal ha-mekhushaf <engl.>
Volkov, Shulamit (2001)
Sprache als Ort der Auseinandersetzung mit Juden und Judentum in Deutschland, 1780 - 1933
Volkov, Shulamit (München, 2001)
Das jüdische Projekt der Moderne : zehn Essays Beck'sche Reihe ; 1421
Volkov, Shulamit (München, 2000)
Antisemitismus als kultureller Code : zehn Essays Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert
Volkov, Shulamit (Gerlingen, 1993)
Zur Sozial- und Begriffsgeschichte des Mittelalters Tel Aviver Jahrbuch für deutsche Geschichte ; 22
Volkov, Shulamit (1993)
Reflexionen zum "modernen" und zum "uralten" jüdischen Nationalismus
Volkov, Shulamit (München, 1990)
Jüdisches Leben und Antisemitismus im 19. und 20. Jahrhundert : zehn Essays