Sianne Ngai, Ph.D.
Professor of English
Stanford University
Born in 1971 in Washington D.C.
Studied English, Semiotics, History of Art, and Architecture at Brown University, Providence, and English and American Literature at Harvard University
Arbeitsvorhaben
Theory of the Gimmick
When we say that a work is gimmicky we mean we "see through it": that there is an undesirable transparency about how an aspect of it was produced and why. The gimmicky artwork thus confronts us with an object that would seem to undermine its own aesthetic or enigmatic power merely by drawing attention to the process by which its effects have been devised. Extending my last book's focus on the historical and philosophical significance of equivocal aesthetic categories such as that of the "interesting", this project explores the ambiguous mix of attraction and repulsion elicited by the gimmick across a range of forms: poetry, video installation, and a relatively prestigious genre we might not immediately associate with the idea of the gimmick at all - the novel of ideas.My argument here is that the novel of ideas is better understood as a novel about the problem of the reification of ideas - a problem that only an acknowledgment of the genre's proneness to aesthetic badness enables us fully to see. The Enlightenment genre's exploration of the very problem of the separation and autonomization of "ideas" from social practices goes a long way toward explaining other aspects of the genre that have long seemed strange to me: that a genre invested in the intersection of art with rational debate relies with such surprising frequency on a fantastic or magical supplement; and that most novels of ideas tend to be comedies.
Aesthetic theory since Kant continues to be largely an aesthetics of reception rather than production; that is, a theory grounded in the point of view of a spectator regarding a finished product as opposed to that of a maker involved in the process of making. Philosophers who have raised objections to this contemplative bias in modern aesthetic theory have done so by deflecting attention from spectator to artist, but with the inadvertent effect of reinforcing the artist's romanticization as a Promethean individual. By contrast, the gimmick - the aesthetically ambiguous device or contrivance - allows us to continue rethinking the role of production by focusing on the collective practices that result in a set of historically available techniques. In the largest sense, my project is on the intersection of technique and enchantment in the art of capitalism from the industrial age to the present, focusing primarily on the United States.
Recommended Reading
Ngai, Sianne. Our Aesthetic Categories: Zany, Cute, and Interesting. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2012.
-. Ugly Feelings. Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 2005.
-. "Merely Interesting." Critical Inquiry 34 (Summer 2008): 777-817.
Kolloquium, 20.01.2015
Theorie des Gimmicks
Das Projekt
Ein Gimmick ist ein ästhetisches Konstrukt, das uns auf eine bestimmte Art und Weise abstößt. Wenn wir etwas als "Gimmick" bezeichnen, sprechen wir ein ästhetisches Urteil aus und drücken damit unseren Widerwillen aus. Der Begriff bezieht sich auf ein grundlegend kompromittiertes ästhetisches Objekt: ein bloßes Mittel oder Werkzeug, das in die Produktion ehrgeiziger ästhetischer Effekte integriert ist; durch das Gimmick werden wir jedoch von diesen ambitionierten Wirkungsweisen abgelenkt und nehmen es als eigenständiges ästhetisches Objekt wahr. Ästhetische Autonomie, fast immer ein positiv besetzter Begriff in der Kunstphilosophie und Ästhetik, wird hier zum unerwünschten Merkmal: wenn sich das Gimmick nämlich unerwarteter- und verbotenerweise behauptet und sich nicht nahtlos im Endprodukt auflöst, wie sich gelebtes Leben und tote Arbeit spurlos in unseren Konsumgütern auflösen.
Was wir bezeichnenderweise als "billig" am Gimmick bezeichnen, hat anscheinend viel damit zu tun, warum es uns irritiert: denn es erreicht seine Wirkung zu leicht und betreibt gleichzeitig zu viel Aufwand. Auf gegensätzliche Weise empfinden wir das Gimmick als etwas, das zu wenig arbeitet - das zeigt sich darin, dass wir es tendenziell als arbeitssparenden Trick betrachten -, aber auch als etwas, das zu viel arbeitet - als einen übermäßig angestrengten Versuch, unsere Aufmerksamkeit zu erregen. In beiden Fällen impliziert das ästhetische Urteil eine Norm gesellschaftlicher Arbeit (dem Marx’schen Begriff vom "historischen Produktivitätsniveau" verwandt), die ihrerseits die ungewöhnlich direkte Beziehung des Gimmicks zur Beurteilung seines ökonomischen Werts vermittelt ("billig"). Das unterscheidet das Gimmick von allen anderen ästhetischen Werturteilen, denen nicht die Fesseln des Ökonomischen angelegt sind. In seiner Eigenschaft als zweifelhaftes ästhetisches Objekt, dem eine spezifische Beziehung zur Arbeit eingeschrieben ist, bietet sich das Gimmick ganz besonders dazu an, um über die kapitalistische Ästhetik und die ihr eigene Verklammerung von Technik und Verzauberung nachzudenken.
Der Vortrag
Wenn wir sagen, dass ein literarisches Werk "effekthascherisch" (gimmicky) sei, meinen wir, dass wir es "durchschauen" und dass es da eine unerwünschte Transparenz gibt, wie und warum bestimmte Aspekte des Werks produziert worden sind. Das "künstliche" oder effekthascherische Kunstwerk konfrontiert uns mit einem Objekt, das seine eigene Kraft zur Herstellung einer Illusion unterminiert, und zwar schlicht dadurch, dass es unsere Aufmerksamkeit auf den Prozess zieht, durch den seine Effekte produziert werden. Wir können daher das literarische Gimmick als eine Verkehrung des modernen "Kunstgriffs" verstehen, der von Viktor Sklovskij gefeiert wird. Während beide grundlegende ästhetische Techniken sind, die eine reflexive Funktion haben, indem sie "freilegen", wie sie bestimmte Effekte bewerkstelligen, wird diese Funktion in einem Fall negativ bewertet, während man ihr im anderen Fall einen hohen ästhetischen Wert zuspricht.
Das Gimmick zieht also die Produktion in den Moment der ästhetischen Rezeption hinein, und zwar auf eine Art und Weise, die uns seltsamerweise irritiert - denn warum könnte man dies nicht als etwas wahrnehmen, das das ästhetische Vergnügen verstärkt? Ich erweitere meine frühere Untersuchung von zweifelhaften ästhetischen Erfahrungen und Urteilen (etwa des bloß Interessanten) und nehme dabei die Mischung aus Anziehung und Widerwillen, die das Gimmick hervorruft, ernst. In diesem Kontext erforsche ich auch, wie sich das Gimmick in jenen Formen auswirkt, die für die kapitalistische Kultur seit dem 19. Jahrhundert bis heute charakteristisch sind. Wie wir sehen werden, gehört zu diesen Formen auch ein äußerst angesehenes Genre, das wir mit dem Gimmick überhaupt nicht in Verbindung bringen: der sogenannte philosophische Roman oder "Ideenroman".
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Ngai, Sianne (2017)
Ngai, Sianne (Cambridge, Mass. [u.a.], 2012)
Our aesthetic categories : zany, cute, interesting
Ngai, Sianne (2011)
Our aesthetic categories : an interview with Sianne Ngai
Ngai, Sianne (2008)
Ngai, Sianne (Cambridge, Mass., 2007)
Ngai, Sianne (2005)
Köpfe und Ideen 2015
„Süß ist das neue Schön“
ein Porträt von Sianne Ngai von Hans-Joachim Neubauer