Maria Shklyaruk, Dr.
Law and Economics
European University at St. Petersburg
Born in 1980 in Saint Petersburg
Studied Law at Saint Petersburg State University and at the University of Hamburg
Fellowship
EURIAS-Fellow
Schwerpunkt
Russland - Rechtsstaatlichkeit auf dem PrüfstandArbeitsvorhaben
The Organizational Context of Criminal Procedure in Germany and Russia: from the Crime to the Sentence
Eugen Ehrlich has described the difference between what the law prescribes and the empirical reality of law enforcement. Since then, the mechanism of transforming laws into everyday practices has been studied in detail, but many questions still remain. The primary research question of the project lies between law and sociology: how do the provisions of laws that regulate key moments of criminal prosecution transform under the influence of the organizational structures of criminal justice (from police to courts) and how do they reflect interactions between criminal procedure participants?The "criminal case" is constructed from a chain of actors' actions in relation to the supposed crime from the moment the information about the crime appears on the radar of the police to the moment the court delivers a verdict. The global academic trend is to investigate the problem of prosecutorial discretion, i.e., the transfer of the primary locus of decision-making from the litigation to the pre-litigation stage. The aim of the project is to determine the key factors responsible for significant differences in the process of filtering criminal allegations and suspects, i.e., which cases to take to court and why, in the otherwise similar legal systems of Russia and Germany.
In order to assess the role and relative contributions of filters envisaged by formal (law) and informal factors (interaction with existing system), I will use the analysis of publications/reports on the work of police and prosecutors in Germany in combination with field work, e.g. nonparticipant observation of the work of German courts. I will describe the "criminal case trajectory" in Germany's law and everyday practices of criminal justice by using traditional comparative-legal methods, as well as sociological methods ("thick description" and sociological reconstruction created on the basis of nonparticipant observation).
Recommended Reading
Shklyaruk, Maria and Dmitriy Skougarevskiy. Crime Statistics: How It Is Constructed, Tampered with, and Could be Reformed. Moscow: Norma, 2015.
www.enforce.spb.ru/images/Staff/Crimestat_report_2015_IRL_KGI.pdf
-. Traektoriya ugolovnogo dela v statistike: na primere obobshchennyh dannyh pravoohranitel'nyh organov [The processing of criminal cases in the official statistics published by the Russian law enforcement agencies.], edited by K. Titaev and E. Paneakh. St. Petersburg: Institut problem pravoprimeneniya, 2014. (Policy memo on the problems of law enforcement). www.enforce.spb.ru/products/papers/6265-traektoriya-ugolovnogo-dela-v-ofitsialnoj-statistike
Volkov, V., I. Grigor'ev, A. Dmitrieva, E. Moiseeva, E. Paneiakh, M. Pozdniakov, K. Titaev, I. Chetverikova, and M. Shkliaruk. "Concept for Comprehensive Organizational and Managerial Reform of the Law Enforcement Agencies of the RF." Statutes and Decisions 48, 5 (2013): 5–91.
www.metapress.com/content/q2j171165191
Kolloquium, 31.05.2016
Das Strafverfolgungssystem als Spiegel der Frage nach der Rechtsstaatlichkeit in Russland und Deutschland
Die deutschen und russischen Gerichtssäle ähneln einander. Es gibt ein paar kleine Unterschiede, aber wir sprechen hier nicht von zwei vollkommen verschiedenen Welten - oder doch? Das deutsche Rechtssystem ähnelt dem russischen, doch im Unterschied zu Russland wird Deutschland als Rechtsstaat anerkannt. Die Hauptkritik an den russischen Strafverfahren betrifft deren "accusatory bias" (Vorverurteilung allein durch eine Beschuldigung), was zu einer geringen Zahl von Freisprüchen führt.
In meiner Forschung vergleiche ich die entscheidenden Phasen des Strafprozesses in Russland und in Deutschland. Bereits 1913 hat Eugen Ehrlich die Unterschiede zwischen der empirischen Realität des Rechtsvollzugs und den vom Gesetz vorgeschriebenen Regeln hervorgehoben. Seitdem sind die Mechanismen, die Rechtsakte in die Alltagspraxis übersetzen, oft untersucht worden, doch viele Fragen sind nach wie vor interessant. Die Hauptfrage meines Forschungsprojekts steht zwischen den Sphären des Rechts und der Soziologie: Wie wirken sich die Organisationsstrukturen der Strafjustiz (von der Polizei bis zu den Gerichten) auf die Gestaltung der entscheidenden Punkte der Strafverfolgung aus?
Das russische Forschungsmaterial (über hundert Interviews in Kombination mit statistischen Daten, die mir die Polizei, die Ermittlungsbeamten und die Gerichte zur Verfügung gestellt haben) zeigt, dass sich die bürokratische Struktur als Schlüsselfaktor bei der Auswahl und der Untersuchung von Strafsachen erweist. Im zurückliegenden Jahr lag der Schwerpunkt meiner Forschung auf der Analyse der Charakteristika der Ermittlungsverfahren und deren Einfluss auf den typischen Verlauf eines Strafverfahrens. Man kann sehen, dass in Russland der Ermittler faktisch die letzte Entscheidung trifft, ob ein Tatverdächtiger schuldig ist oder nicht - 2014 wurden nur 2000 Tatverdächtige von allen Beschuldigungen während der Voruntersuchungsphase entlastet und nur etwa 1000 Personen wurden vor Gericht freigesprochen. Im selben Zeitraum wurden in Deutschland 32% der Tatverdächtigten entlastet und ihre Strafverfahren aus Mangel an Beweisen und 31 % wegen Geringfügigkeit eingestellt. Die Gesamtzahl aller Tatverdächtigen belief sich auf mehr als eine Million. Weitere 4 % der Angeklagten - etwa 30.000 Personen - wurden vor Gericht freigesprochen.
Sicherlich waren ebenso wichtige Faktoren die politische und soziale Situation im Inland, der institutionelle Rahmen der Polizei und der Staatsanwaltschaft sowie die Ausbildung und die Werte der beteiligten Juristen. Doch diese Faktoren zeigten sich erst im Gerichtssaal und griffen damit in den letzten Akt des Strafprozesses ein. Ich möchte auch weiterhin versuchen zu verstehen, warum deutsche Staatsanwälte Fälle so leicht fallen lassen können und warum deutsche Richter Angeklagte viel leichter freisprechen können als ihre russischen Kollegen.
Gerichtsverhandlungen und Gerichtsurteile sind der letzte Schritt im Strafverfahren, was sich darauf auswirkt, welchen Ruf ein Land hat. Als ich mich damit vertraut machte, erschien es mir, als hätte ich eine Reise in eine andere Welt unternommen. Ein deutsches Gerichtsverfahren sieht vielleicht manchmal aus wie ein russisches, aber bestimmte Details sorgen für erhebliche Unterschiede.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Shklyaruk, Maria (Sankt-Peterburg, 2017)
Traektorija ugolovnogo dela v Germanii : opravdatel̕nyi uklon? ; itogi ėmpiričeskich nabljudenij
Shklyaruk, Maria (2017)
In dubio pro quo? : Russland: Freispruchquote und Rechtsstaat
Shklyaruk, Maria (Berlin, 2017)
Wärmebild : Sondierungen im Osten Europas Osteuropa ; 67. Jahrgang, Heft 9/10 (2017)
Shklyaruk, Maria (2015)
Shklyaruk, Maria (Moskva, 2015)
Obvinenie i opravdanie v postsovetskoĭ ugolovnoĭ i︠u︡stit︠s︡ii : sbornik stateĭ
Shklyaruk, Maria (2014)
Sledstvie ne os̆ibaetsja kak podmoskovnye prokurory izbechdi suda
Shklyaruk, Maria (Moskva, 2014)
Po tu storonu prava : zakonodateli, sudy i policija v Rossii ; sbornik statej ; [po materialam gazety "Vedomosti"] Extra Jus