Dan Wielsch, Dr. iur.
Professor für Bürgerliches Recht und Rechtstheorie
Universität zu Köln
Geboren 1970 in Frankfurt am Main, Deutschland
Studium der Rechtswissenschaft in Frankfurt am Main und Berkeley
Arbeitsvorhaben
Digitale Medienverfassung
Digitale Kommunikation findet über die Dienste neuer Intermediäre statt. Sie konfigurieren Kommunikation und Öffentlichkeit, insbesondere können sie eigene Kommunikationsregeln unmittelbar durchsetzen. Freilich enteilt die algorithmische Kontrolle der Kommunikation schon ihren Initiatoren. Technologische Kontrollmacht ist vor allem Macht der Medientechnologie selbst. Diese Verselbständigung einer neuen institutionellen Normativität darf nicht zu ihrer Naturalisierung verleiten, sondern bildet überhaupt erst den Gegenstand von Rechtfertigungsdiskursen. Doch anhand welcher Maßstäbe? Mit den digitalen Intermediären rückt vor allem das Privatrecht in den Blick. Denn das digitale Medium entwickelt sich maßgeblich über private Akteure und Handlungsformen, ist von einer Praxis der Selbstregulierung geprägt und schafft globale Öffentlichkeiten. Das Privatrecht steht damit nicht nur vor der allgemeinen Aufgabe, seine Begriffe und Methoden auf neu entstehende Institutionen einzustellen. Ihm wächst noch stärker als bei analogen (Massen-)Medien konkret eine medienverfassungsrechtliche Funktion zu. Es müsste die Autonomie des digitalen Mediums rezipieren und mit anderen Autonomien ins Verhältnis setzen. In diesem Zuge wären staatliche Kontrollvorbehalte schon wegen der liberalen Gesellschaften eigenen Staatsferne der Medien selbst reflexiv zu handhaben. Auch der Modus der Grundrechtswirkung wäre gegenüber digitaler Normativität zu reformulieren.Das Projekt untersucht daher die Eigennormativität digitaler Medien, ihre Rezeption im Recht und ihre mögliche Rückwirkung auf den Rechtsbegriff selbst. Auf dieser Grundlage gilt es, die Gewährleistung von Kommunikationsfreiheit in der digitalen Konstellation neu zu denken.
Lektüreempfehlung
Wielsch, Dan. Zugangsregeln: Die Rechtsverfassung der Wissensteilung. Jus Privatum 133. Tübingen: Mohr Siebeck, 2008.
-. "Contract Interpretation Regimes." Modern Law Review 81 (2018): 958-988. https://doi.org/10.1111/1468-2230.12375.
-. "Medienregulierung durch Persönlichkeits- und Datenschutzrechte." Juristenzeitung 75 (2020): 105-114. https://doi.org/10.1628/jz-2020-0052.
Kolloquium, 25.01.2022
Die Verfassung des Digitalmediums
Die Möglichkeiten digitaler Kommunikation werden durch Intermediäre bestimmt. Sie gestalten den Zugang zu Informationen und konstituieren Öffentlichkeit. Insbesondere Plattformen für soziale Netzwerke erleichtern nicht nur Kommunikation, sondern regulieren sie mit Hilfe automatisierter Technologien, die einer Rationalität der Maximierung des Nutzer-Engagements folgen („Datenkapitalismus“). Die Moderation von nutzergenerierten Inhalten ist nur die sichtbarste Seite dieser digitalen Regulierung, deren eigene kommunikative Selektivität die Integrität von Individuen und sozialen Institutionen gefährden kann. Gleichwohl bleibt die emergente digitale Normativität weitgehend unkontrolliert, da die Plattformen die eigenen Regeln auch selbst durchsetzen können. Während die analoge Welt zunehmend mit digitalen Systemen gekoppelt und von ihnen beeinflusst wird, erscheint die digitale Welt als normativ unabhängig von der analogen.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Wielsch, Dan (Tübingen, 2021)
Die Zukunft der Medienverfassung Future concepts of law ; 2
Wielsch, Dan (Tübingen, 2021)
Grundrechtsfunktionen jenseits des Staates Future concepts of law ; 1
Wielsch, Dan (Tübingen, 2020)
Medienregulierung durch Persönlichkeits- und Datenschutzrechte
Wielsch, Dan (Tübingen, 2018)
Verantwortung von digitalen Intermediären für Rechtsverletzungen Dritter
Wielsch, Dan (Oxford [u.a.], 2018)
Contract interpretation regimes
Wielsch, Dan (Cambridge, Antwerp, Portland, 2017)
Responsible contracting : the requirements of EU fundamental rights on private law regimes