Maximilian Benz, Dr. phil.
Professor für Deutsche Literatur des Mittelalters und der Frühen Neuzeit
Universität Bielefeld
Geboren 1983 in München, Deutschland
Studium der Germanistik, Klassischen Philologie und Erziehungswissenschaften an der Ludwig-Maximilians-Universität München und der Humboldt-Universität zu Berlin
Arbeitsvorhaben
Die Emergenz moralischer Subjektivität an der Schwelle zur Neuzeit
Moralische Subjektivität, also die Möglichkeit, die Grundsätze des Handelns „aus sich“ heraus zu entwickeln, ist, so scheint es zumindest, mit einem christlichen ordo unvereinbar. Besonders einflussreich, aber auch vielfach kritisiert, hat Michel Foucault die pagane Antike mit ihren Selbsttechniken, die es Individuen erlauben, sich als moralische Subjekte zu begreifen, dem Christentum gegenübergestellt – mit Folgen bis in die Moderne, sofern man auch hier das Subjekt à la française nicht als „souverän“, sondern (mit Friedrich Nietzsche noch immer) als „unterworfen“ begreift.Unabhängig von normativen Implikationen und diesseits einer Dichotomie von „Bruch“ und „Kontinuität“ soll mit Blick auf genuin christliche Selbsttechniken, die sich nachgerade im Spätmittelalter in je unterschiedlichen Anschlüssen an den umfassend geltenden Imperativ einer imitatio Christi herausbilden, eine Komplementär- (und keine Vor-)Geschichte moderner Subjektivität herausgearbeitet werden.
Die Selbsttechniken von Mystikern und „modernen Devoten“ entwickeln unter Nutzung von Textproduktionsmechanismen die Schaffung eines „Ichs“, das nicht in der Erfüllung eines Regelkodex besteht, sondern sich selbst konstituiert: Man kann diesen Zusammenhang pointieren im Sinne einer christomimetischen Poiesis der Existenz. Nicht nur im „langen“ 15. Jahrhundert, dem Säkulum sowohl der Reform als auch der Latenz, lassen sich diese textinduzierten Selbsttechniken beobachten, sondern – auf je unterschiedliche Weise – auch im reformatorischen Anschluss an spätmittelalterliche Frömmigkeit sowie in der gegenreformatorischen Reaktion.
Lektüreempfehlung
Benz, Maximilian. Gesicht und Schrift: Die Erzählung von Jenseitsreisen in Antike und Mittelalter. Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte 78. Berlin: De Gruyter, 2013. Broschur 2022.
–. Fragmente einer Sprache der Liebe um 1200. Mediävistische Perspektiven 6. Zürich: Chronos, 2018.
–. Arbeit an der Tradition: Studien zur literarhistorischen Stellung und zur poetischen Struktur der Werke Rudolfs von Ems. Philologie der Kultur 16. Würz¬burg: Königshausen & Neumann, 2022.
Kolloquium, 31.01.2023
Abschied vom Ich: Selbstvergleiche in der Nachfolge Christi und die Emergenz moralischer Subjektivität
Ausgehend von einem ‚erbaulichen‘ Kommentar zu einer Lesung am Gedenktag des Hl. Bruno, in dem ein ‚Abschied vom Ich‘ gefordert wird, der so weder im Leben des Hl. Bruno, der ‚die Welt verlässt‘, noch in der herangezogenen Perikope zur Christusnachfolge zu finden ist, wird nach Begründungsmöglichkeiten von ‚Subjektivität‘ im christlichen Zusammenhang gefragt. Woher stammt das ‚Ich‘, das verabschiedet werden soll?
Auch wenn bei Eckhart der Grundgedanke des spekulativen Idealismus von der reinen Subjektivität vorweggenommen wird, gilt dies nur für Gott. In der Mystik nach Eckhart allerdings ereignen sich Umakzentuierungen mit Blick auf die geforderte Christusnachfolge, die in Verbindung mit der nominalistischen Gnadenlehre Spielräume menschlicher Eigenverantwortlichkeit eröffnen, die im Sinne moralischer Subjektivität gedeutet werden können: Subjekte entwickeln Grundsätze ihres Handelns zumindest partiell ‚aus sich heraus‘. Herausarbeiten lassen sich diese Ansätze zu einer moralischen Subjektivität durch die Differenzierung von Selbstvergleichen mit Christus, die den Imperativ der Christusnachfolge modifizieren. Dies wird mit Blick auf den weithin tradierten Traktat „De imitatione Christi“ des Thomas von Kempen und seine Rezeption in der Societas Jesu herausgearbeitet.
Das ‚Ich‘ entsteht – in dieser komplementärgeschichtlichen Betrachtung – paradoxerweise als Folge seiner Verabschiedung.
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Benz, Maximilian (Berlin, 2024)
Konturen des Selbst in der Mystik nach Eckhart : eine Komplementärgeschichte
Benz, Maximilian (Würzburg, 2022)
Arbeit an der Tradition : Studien zur literarhistorischen Stellung und zur poetischen Struktur der Werke Rudolfs von Ems Philologie der Kultur ; Band 16
Benz, Maximilian (Berlin, 2022)
Benz, Maximilian (Berlin, 2021)
Themenschwerpunkt: Literatursoziologie. Frühgeschichte eines Forschungsparadigmas in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts Literatursoziologie. Frühgeschichte eines Forschungsparadigmas in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts
Benz, Maximilian (Stuttgart, 2020)
Das Fegfeuer des Heiligen Patrick Tractatus de purgatorio sancti Patricii
Benz, Maximilian (Berlin, 2019)
Legendarisches Erzählen : Optionen und Modelle in Spätantike und Mittelalter Philologische Studien und Quellen ; Band 273
Benz, Maximilian (Zürich, 2018)
Fragmente einer Sprache der Liebe um 1200 Mediävistische Perspektiven ; 6
Benz, Maximilian (Berlin, 2016)
Literarische Räume der Herkunft : Fallstudien zu einer historischen Narratologie Narratologia ; Band 51
Benz, Maximilian (Berlin [u.a.], 2013)
Gesicht und Schrift : die Erzählung von Jenseitsreisen in Antike und Mittelalter Quellen und Forschungen zur Literatur- und Kulturgeschichte ; 78 = 312