Lorraine J. Daston, Ph.D.
Direktorin em.; Professorin, Committee on Social Thought
Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte
Universität Chicago
Geboren 1951 in East Lansing, Mich., USA
Studium der Geschichte, Philosophie, Mathematik und Wissenschaftsgeschichte in Cambridge und in Harvard
Arbeitsvorhaben
Describing the Indescribable: Observing New Nature, 1500–1700
The word “observation” and its sixteenth- and seventeenth-century cognates in Latin (observatio) and European vernaculars (Italian osservazione, German Beobachtung, Dutch observatie, French observation) had a triple meaning: first, and most ancient, to respect a ritual or other prescribed form of conduct; second, an act of focused perception on some detail, whether of texts or experience; and third, to describe that perception in words and images. All three of these meanings are in play in my project on how European naturalists observed what were for them novel phenomena during this period, but my focus will be on the third sense: how to describe the indescribable.Encounters with radically new flora and fauna, weather, topographies, and peoples in the Far West and the Far East, as well as the creation of new phenomena through experimentation and the invention of new instruments such as the barometer, telescope, and microscope, and even the more systematic observation of phenomena known since antiquity but rarely spotted, such as the aurora borealis, taxed the language of description to the utmost. The challenge was not only to find a way to throw a net of familiar words around the Brazilians whom Michel de Montaigne met at the royal entry in Rouen in 1550 or the Aztec gold viewed by Albrecht Dürer in Antwerp in 1520; it was also to create a shared descriptive vocabulary, both quantitative and qualitative, both verbal and visual, for communication within an increasingly dense network of savants. Drawings could be and were made, but these were often as divergent as the verbal accounts. In order to be useful for the collective modes of inquiry pioneered first by the humanists and later by the academies, descriptions had to be intelligible and communicable, as well as accurate.
Not coincidentally, this period was also one of intense reflection on how language could be improved – whether by being purged of impurities, as in the case of the Vocabolario degli Accademici della Crusca (1612) or the Dictionnaire de l’Académie Française (begun in 1635), or perfected to remove all ambiguities, as in John Wilkins’ An Essay towards a Real Character or Philosophical Language (1668), or enriched with terms from the arts and crafts, as the botanists of the Académie Royale des Sciences attempted to do with color terms. The “plain language” movement in the Royal Society and the widespread critique of metaphor signaled increasing anxiety about how figurative language could undermine the project of collective empiricism.
Recommended Reading
Daston, Lorraine, and Elizabeth Lunbeck, eds. Histories of Scientific Observation. Chicago: University of Chicago Press, 2011.
Daston, Lorraine. Rivals: How Scientists Learned to Cooperate. New York: Columbia Global Reports, 2023.
Kolloquium, 07.03.2023
Das Ende der Naturkatastrophen
Die Kategorie der reinen Naturkatastrophe, an der niemand schuld ist, stammt aus der Aufklärung. Zuvor gab es nur Katastrophen (im Mittelalter auf Latein tribulationes genannt), deren Ursachen gemischt und göttlichen, menschlichen und natürlichen Ursprungs waren und die eine Fülle von Schuldzuweisungen nach sich zogen. Im Zeitalter des menschengemachten Klimawandels geht uns die Kategorie der Naturkatastrophe rasch verloren – und damit auch der Begriff des schuldlosen Übels. Es ist noch gar nicht so lange her, dass die rechtliche Anerkennung von Katastrophen, für die niemand die Verantwortung trug und die zwar bedauerlich waren, sich aber der Berechnung oder Kontrolle durch den Menschen entzogen, als Zeichen des Fortschritts erschien: Wir hatten uns vom Joch religiöser Omen und Strafen befreit und lasen den Zorn Gottes nicht mehr in Ereignisse hinein, die einfach nur ein Teil des Naturgeschehens waren. Die Suche nach Schuldigen für die Schäden, die von Dürren oder Wirbelstürmen verursacht wurden, erschien uns so unaufgeklärt wie die Hexenjagd. Doch heute wollen aufgeklärte Menschen immer öfter wissen, ob Naturkatastrophen wirklich so natürlich sind, und stellen schwierige Fragen zur menschlichen Verantwortung – und zur Haftbarkeit.
Meine Frage lautet: Was passiert, wenn wir die aufgeklärte Kategorie der Naturkatastrophe verlieren und damit auch den Begriff eines schuldlosen Übels? Wie in der Aufklärung prallen in unseren Köpfen anscheinend große tektonische Platten aneinander. Der Kern des Naturbegriffs – dass sie autonom und dem menschlichen Willen gegenüber gleichgültig ist – scheint sich im Zeitalter des menschengemachten Klimawandels und der Gentechnik aufzulösen. Im Positiven wie im Negativen hat sich der Umkreis menschlicher Weitsicht und Macht – und damit auch der Umkreis menschlicher Verantwortung – zumindest in unserer Vorstellung so weit ausgedehnt, dass wir die Rollen mit der Natur tauschen: Für uns, ihre geduckten Kinder, ist sie nicht mehr die allmächtige Mutter (oder grausame Stiefmutter), sondern wir imaginieren sie als unsere Schutzbefohlene, als empfindlich und der Schonung bedürftig.
Diese metaphysischen und moralischen Veränderungen sind viel zu gewaltig, um sie in einem einzigen kurzen Vortrag zu erfassen. Ich möchte mich hier darauf konzentrieren, welche Auswirkungen die schwindende aufgeklärte Kategorie der reinen Naturkatastrophe und die damit einhergehenden Begriffe des schuldlosen Übels und der menschlichen Verantwortung haben. Doch anstatt diesen Entwicklungen in philosophischen Abhandlungen nachzugehen, konzentriere ich mich auf die konkrete Praxis, nämlich wie Gerichte und Versicherungen in Echtzeit neu definieren, was Katastrophen sind und wer für sie verantwortlich ist. Ich gehe davon aus, dass hier eine Metaphysik (und Ethik) im Werden ist: Diese neuen Praktiken im Umgang mit Katastrophen verändern unser Denken in Bezug darauf, was Natur und Verantwortung heute bedeuten.
Köpfe und Ideen 2014
Zwei mal drei macht vier, widewidewitt und drei macht neune ...
ein Porträt von Wendy Espeland, Jahnavi Phalkey, Theodore M. Porter, Lorraine J. Daston, Tong Lam, John Carson von Jürgen Kaube
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Daston, Lorraine J. (New York, NY, 2023)
Rivals : how scientists learned to cooperate
Daston, Lorraine J. (Princeton, 2022)
Rules : a short history of what we live by The Lawrence Stone lectures
Daston, Lorraine J. (Berlin, 2018)
Gegen die Natur Against nature
Daston, Lorraine J. (Chicago, 2017)
Science in the archives : pasts, presents, futures
Daston, Lorraine J. (Jerusalem, 2015)
Before the two cultures : big science and big humanities in the nineteenth century Proceedings / The Israel Academy of Sciences and Humanities ; Vol. 9, No. 1
Daston, Lorraine J. (Chicago, Ill. [u.a.], 2013)
How reason almost lost its mind : the strange career of Cold War rationality
Daston, Lorraine J. (Berlin, 2012)
Festkolloquium für Hans-Jörg Rheinberger : Beiträge zum Symposium am 24. 1. 2011 im Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte Preprint ; 433
Daston, Lorraine J. (2012)
Wissenschaftsgeschichte und Philosophie : Hans-Jörg Rheinberger und l'esprit de la fleuve
Daston, Lorraine J. (2011)
The empire of observation, 1600-1800
Daston, Lorraine J. (Chicago, 2011)
Im Kolleg entstanden 17.10.23
Im Kolleg entstanden 12.07.22
Veranstaltungen
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Teresa Castro Martín | Lorraine J. Daston | Mark E. Hauber | Anthony Ossa-Richardson
Minou Arjomand | Johannes Böhme | Lorraine J. Daston | Magdalena Waligórska
Lorraine J. Daston | George E. Lewis | Yossi Yovel
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