Goethe als Psychologe
02.–03. Juli 2014
Der Essay Über naive und sentimentalische Dichtung erhob die "Weimarer Arbeitsteilung" zum hohen Muster, demzufolge Schiller der ums Werk "ringende" Psychologe und Intellektuelle sei, während Goethe als großer Naiver gelassen sein Naturgenie entfalte und ausspreche. Goethe ratifizierte den bis heute fortwirkenden Mythos, indem er zehn Jahre aus der Autobiographie ausschloss, in denen sich (fast) alles um Psychologie und (Selbst-)Analyse drehte: Dichtung und Wahrheit endet 1775 mit dem Gang nach Weimar, und die Italienische Reise beginnt 1786. Die "Flucht nach Italien" sowie Goethes verwerfende Rückblicke verschafften dem Jahrzehnt dazwischen eine schlechte Presse. Noch 1829 meinte Goethe zu Eckermann, er habe „in den ersten zehn Jahren nichts Poetisches von Bedeutung hervorgebracht.“
Nichts von Bedeutung?
In dieser Dekade schreibt Goethe viele seiner schönsten Gedichte, er schreibt seinen unterhaltsamsten Roman, die Prosa-Fassung der Iphigenie, schreibt an Faust, Tasso, Egmont. – Als Naturwissenschaftler entdeckt er den Zwischenkieferknochen, schreibt die Abhandlung über den Granit. Und er schreibt Tausende von Briefen, von denen einige als die schönsten und tiefsten gelten, die er je verfasste. Dennoch: Das erste Weimarer Jahrzehnt gilt als Zeit des Unglücks, der Misere und des Scheiterns.
Warum?
Vielleicht liegt hier ein Missverständnis vor, mit dem sich das Seminar nun befassen soll. Das erste Weimarer Jahrzehnt wird in Standard-Editionen regelhaft als Zeit des „Übels“ und als „Problem“ charakterisiert, während die italienische Reise die „Radikal-Therapie“ gewesen sei, welche die „Heilung“ gebracht habe. – Es verhält sich, so die Arbeitshypothese des Seminars, womöglich umgekehrt
Convener
Kontakt
Teilnehmer
Frauke
Berndt
Eberhard Karls Universität Tübingen
Achim
Geisenhanslüke
Johann Wolfgang Goethe-Universität, Frankfurt am Main
Hans-Christian
von Herrmann
Technische Universität Berlin
Claudia
Liebrand
Universität zu Köln
Reinhart
Meyer-Kalkus
Wissenschaftskolleg zu Berlin / Universität Potsdam
Daniel
Müller Nielaba
Universität Zürich
Ernst
Osterkamp
Humboldt-Universität zu Berlin
Elisabeth
Strowick
Johns Hopkins University
David E.
Wellbery
Fellow
1989/1990
Stanford University
Cornelia
Zumbusch
Universität Hamburg