Franz Alto Bauer, Dr. phil.
Professor für Archäologie und Kunstgeschichte der Spätantike und des byzantinischen Mittelalters
Ludwig-Maximilians-Universität München
Geboren 1965 in Furth (Oberbayern)
Studium der Frühchristlichen Archäologie und Byzantinischen Kunstgeschichte an der Ludwig-Maximilians-Universität München und Kunstgeschichte an der Universität Basel
Schwerpunkt
Jüdische und christliche Liturgie in den ersten nachchristlichen JahrhundertenArbeitsvorhaben
Eine Stadt und ihr Heiliger: Thessaloniki und der heilige Demetrios
Der heilige Demetrius ist einer der wenigen Stadtheiligen im byzantinischen Osten und erfreut sich in Thessaloniki einer Verehrung, die von heute bis in die Spätantike zurückreicht. Ziel dieses Projekts ist es, das Aufkommen der Demetriusverehrung im 6. Jahrhundert nachzuzeichnen, d. h. die verschiedenen Formen der Autosuggestion aufzuzeigen, mit denen sich die Bevölkerung der Stadt einen Heiligen nach ihren Bedürfnissen schuf. Interessanterweise ist der Heilige in seiner Kirche Hagios Demetrios nie als sichtbare oder berührbare Reliquie erfahrbar; seine Präsenz wird über Ikonen, Bilder, aber auch über Architektur und das gesprochene Wort, etwa Heiligenlegenden, vermittelt. Dies wiederum hatte zur Folge, dass der Heilige nicht aus Thessaloniki entfernt werden konnte: während anderenorts Heilige transferiert und auch gestohlen wurden, blieb der nur virtuell präsente Demetrios stets in Thessaloniki.Am Wissenschaftskolleg soll vor allem die mittelalterliche Kultgeschichte rekonstruiert und vor dem Hintergrund gleichzeitiger Heiligeninszenierungen in West und Ost vergleichend analysiert werden. Dabei werden grundsätzliche Phänomene der "Konstruktion von Besonderheit" und der Authentifizierung von Heiligkeit berührt, die sich sehr gut in einem Kreis von Fachkollegen aus verschiedenen Disziplinen diskutieren lassen.
Geplant ist die Fertigstellung eines Buchs, das im Verlag Schnell & Steiner (Regensburg) erscheinen wird.
Lektüreempfehlung
Bauer, Franz Alto. Gabe und Person: Geschenke als Träger personaler Aura in der Spätantike. Eichstätt: Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt, 2009.
Kolloquium, 03.07.2012
Making a Saint in the Middle Ages
Wie wird man ein Heiliger? Welche Kriterien müssen erfüllt werden, um ein Heiliger zu werden? Und wie lässt sich die Anwesenheit eines Heiligen plausibel machen? Wie die Echtheit seines Grabs und seiner Reliquien? Was heute in der katholischen Kirche den Charakter eines fast schon kriminologischen Beweisverfahrens mit hohen Auflagen hat und sich über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte hinziehen kann, war in der Spätantike und im frühen Mittelalter meist einer Frage lokalen Konsenses. Es gab keine zentrale Autorität, Heiligkeit festzustellen. Die meisten Heiligen entstanden aus dem Bedürfnis heraus, einen Fürsprecher zu haben, der ein gutes Wort bei Gott einlegt, dem man so nahe wie möglich kommen wollte, um sich seiner Hilfe zu versichern: durch eine Bestattung bei einem Heiligengrab oder durch den Besitz einer Reliquie.
Der Heilige, um den es in meinem Kolloquium geht, Demetrius von Thessaloniki, erfüllt die meisten Erwartungen an einen spätantiken Heiligen, nimmt aber insofern eine Sonderstellung ein, als er kein Grab hatte und auch keine Körperreliquien existierten. Seine Gegenwart beruhte auf einer höchst suggestiven Inszenierung seines Heiligenschreins inmitten der Kirche Hagios Demetrios: ein geschlossenes Ziborium mit einem leeren Thron, in das man sich den Heiligen hineindachte. Hier wurden frühen Legenden zufolge Kranke geheilt, und von hier zog Demetrius gegen Feinde, um seine Stadt zu verteidigen. Er trat damit nicht nur an die Stelle des Kaisers, dessen Aufgabe es eigentlich gewesen wäre, bedrängte Städte zu schützen, sondern erfüllte auch seinen Teil eines Vertrags, den er mit den Thessalonikern geschlossen hatte: Verehrung gegen Schutz, eine prächtige Kirche mit reicher Ausstattung gegen Fürsprache bei Gott.
Doch ist damit nur ein kleiner Ausschnitt der Geschichte einer Stadt und ihres Schutzpatrons beschrieben, welche ich im vergangenen Jahr hier am Wissenschaftskollegs geschrieben habe. Denn in dem Maß, in dem sich der Heilige als erfolgreicher Verteidiger erwies, wollten sich auch andere seiner bemächtigen: der Kaiser, die Bulgaren und die Russen. Wie begegnete man diesen Ansinnen? Wie ging man damit um, wenn der Heilige 'versagt' hatte, also Thessaloniki von Feinden erobert wurde? Wie reagierte man auf Behauptungen anderer, der Heilige habe seine Stadt aufgegeben? Wie begegnete man Zweiflern, welche sich mit einem Ziborium, in dem angeblich der Heilige weilte, nicht zufrieden geben wollten? Diesen Fragen möchte ich auf den Grund gehen, indem wir uns gemeinsam eine hochinteressante Gruppe von Demetriusreliquiaren ansehen, die sich zum Teil im Domschatz von Halberstadt befinden und die wir gemeinsam öffnen werden...
Publikationen aus der Fellowbibliothek
Bauer, Franz Alto (Regensburg, 2013)
Eine Stadt und ihr Patron : Thessaloniki und der Heilige Demetrios
Bauer, Franz Alto (Eichstätt, 2009)
Gabe und Person : Geschenke als Träger personaler Aura in der Spätantike Eichstätter Universitätsreden ; 116
Bauer, Franz Alto (Wiesbaden, 2007)
Statuen in der Spätantike Spätantike - Frühes Christentum - Byzanz
Bauer, Franz Alto (2006)
Potentieller Besitz : Geschenke im Rahmen des byzantinischen Kaiserzeremoniells
Bauer, Franz Alto ([Istanbul], 2006)
Visualisierungen von Herrschaft : frühmittelalterliche Residenzen - Gestalt und Zeremoniell ; internationales Kolloquium, 3./4. Juni 2004 in Istanbul Byzas ; 5
Bauer, Franz Alto (Wiesbaden, 2004)
Das Bild der Stadt Rom im Frühmittelalter : Papststiftungen im Spiegel des Liber Pontificalis von Gregor dem Dritten bis zu Leo dem Dritten Palilia ; 14
Bauer, Franz Alto (2001)
Urban space and ritual : Constantinople in late Antiquity
Bauer, Franz Alto (Mainz am Rhein, 2001)
Epochenwandel? : Kunst und Kultur zwischen Antike und Mittelalter Zaberns Bildbände zur Archäologie
Bauer, Franz Alto (2000)
The liturgical arrangement of early medieval Roman church buildings